Universität Bremen: ein dunkles Pflaster

■ Um 19 Uhr gehen die Lichter aus, und Frauen schließen sich in ihren Arbeitszimmern ein / Wachleute und Notrufsäulen gefordert

Universität Bremen, 19 Uhr: Das Hauptgebäude der GeisteswissenschaftlerInnen, das „GW II“, wird von einem der drei Wachmänner abgeschlossen, der letzte Pendelbus verläßt das Unigelände Richtung Hauptbahnhof. Wer zum Arbeiten bleibt und weiblich ist, kriegt es bei einbrechender Dunkelheit oft mit der Angst zu tun. Beispiel 1: Das Trampen wird zum Risiko. Einer Studentin ist es dreimal passiert daß sie abends von Fahrern zwischen Uni und der Kreuzung „Stern“ brutal begrabscht wurde. Sie ist überzeugt, daß sexuell gewalttätige Männer abends gezielt versuchen, trampende Studentinnen an der Uni-Bushaltestelle aufzugabeln.

Beispiel 2: Wissenschaftlerinnen, die ab 19 Uhr noch in ihren Arbeitskämmerchen im Gebäude „GW II“ hocken schließen sich ein. Eine ruft von dort aus, wenn sie durch die verödeten Gänge nach Hause aufbrechen will, regelmäßig eine Freundin an: „Wenn ich Dich in einer halben Stunde nicht von zu Hause anrufe, mußt Du was unternehmen.“

Auch im Gebäude „Sportturm“ werden die Lichter früh ausgeknipst und die Türen dichtgemacht. Raus kann frau und

mann dann nur noch durch die Tiefgarage. Notrufsäulen oder Telefone außerhalb der Arbeitsräume gibt es nicht. Frauen, die abends im Sportturm überfallen worden waren, war dies schon einmal zum Verhängnis geworden, sie hatten keine Hilfe herbeirufen können.

In der Gründungszeit der Uni war fast jedes Gebäude bis hin zum biologischen Garten von Mitarbeitern der Firma „Hersa -Schutz“ bewacht worden. Heute ist aus Spargründen das „Sicherheitspersonal“ auf drei Wachleute reduziert. Um die „Sicherheit“ weiblicher Menschen geht es dabei wenig: Im „Mehrzweckhochaus“ (MZH) sitzt bis 1 Uhr nachts ein Wachmann zum Schutz des wertvollen Computergerätes. Der Haupteingang des naturwissenschaftlichen Gebäudes „NW II“ wird fast rund um die Uhr bewacht, weil in den Labors mit hochexplosivem Material gearbeitet wird. Sämtliche anderen Gebäude vom Fallturm und bis zum Mensawohnheim, in dem sich „nur“ Menschen aufhalten, müssen sich die Aufmerksamkeit eines „Außenwachmanns“ teilen. Außer den drei „Hersa„-Männern sind nach 19 Uhr noch zwei Mitarbeiter der Leitwarte und der

Energiezentrale auf dem Posten und zuständig für steckengebliebene Aufzüge und für ausgefallenen Strom. Doch falls Frauen unter der Nr. 218-07 beim Wachdienst anrufen und für den düstern Weg zum Parkplatz um Begleitschutz bitten, „geht in acht von zehn Fällen ein Kollege mit“ sagt Techniker Karl Renner, „aber nur in Ausnahmefällen. Wir können nicht 150 Mal am Abend rausgehen.“

Belästigungen, Spannereien auf dem Klo, Vergewaltigungen meistens erfährt das außer Mitstudentinnen oder einer guten Kollegin niemand. Die Vorfälle werden nicht dokumentiert. Nur drastische Fälle sprechen sich herum: wenn - wie im Januar geschehen - eine Bibliotheksmitarbeiterin kurz nach 20 Uhr auf dem Weg zum Parkplatz überfallen und gewürgt wird oder wenn ein Uni-Dozent sich zehn Jahre lang in seiner therapeutischen Privatpraxis an Klientinnen vergreift. Seit dem 13. Februar lädt die „Zentrale Kommission für Frauenfragen“ regelmäßig Beschäftigte und Studierende zu Treffs mit dem Thema: „Gegenmaßnahmen zu sexuellen Belästigungen an der Universität.“ Als „Sicherheitsmaßnahmen“ fordern die

Frauen: beleuchtete Parkplätze und Gebäude, zwei Wachmänner für jedes Haus, Notrufsäulen und Beobachtungsmonitore in den Tiefgaragen und in den Unikorridoren, sowie eingangsnahe Parkplätze für Frauen. Die Wissenschaftlerin Sabine Klein -Schonnefeld: „Ich fühle mich hier nicht sicher. Enweder ist die Uni ein Arbeitsort, oder sie sollen sie dichtmachen.“

Weniger einig sind sich die Frauen über ein Konzept für eine „zentrale Beratungsstelle“, in der sich auf Vorschlag des Frauenre

ferates eine Therapeutin und eine Juristin um betroffene Frauen kümmern soll. Hochschullehrerinnen wandten sich jedoch dagegen, daß in dieser Beratungsstelle gleichzeitig über die „Fälle“ von SozialwissenscchaftlerInnen geforscht werden soll.

Am Dienstag, den 20. März um 10 Uhr wollen die Uni-Frauen erneut versuchen, sich auf ein gemeinsames Konzept zu einigen. Der Streit um die Beratungsstelle schwelt bereits seit einem Jahr.

B.D.