RGW schafft Atempause

W.Hanzig, Vizegeneraldirektor des Kombinats Elektro- Apparate-Werke, zum Firmenverkauf an den Westen  ■ I N T E R V I E W

Mit seinen 32.000 Beschäftigten in 18 Betrieben gehört das Kombinat Elektro-Apparate-Werke (EAW) mit Stammbetrieb in Berlin-Treptow zu den mittelgroßen Einheiten der DDR. Mit 50.000 Artikeln setzt das EAW etwa drei Mrd. Mark jährlich um.

taz: Was hat sich bislang im Aufbau des Betriebes verändert?

Wolfgang Hanzig: Zuerst haben wir unseren Betrieben wesentlich mehr Kompetenz und Verantwortung eingeräumt. Unsere Betriebe sind in allen ihren Entscheidungen selbständiger geworden. Wir bevormunden die Betriebe nicht mehr. Der Betriebsdirektor ist jetzt für seinen Betrieb, den Gewinn und das Betriebsergebnis selbständig verantwortlich. Die Leitung des Kombinats oder des Unternehmens „EAW“ hilft und berät unsere Betriebe und schafft Rahmenbedingungen, die eine erfolgreiche Arbeit garantieren.

Sie streben die Umgestaltung in eine Aktiengesellschaft an, die eine Holding bilden soll, an der die 18 bisherigen VEBs in GmbHs organisiert werden. Können sich daran auch ausländische Gesellschaften mehrheitlich beteiligen?

Die Leitungsgremien des Kombinats und der Betriebe wissen, wo der Schuh drückt und wo die Stärken des Unternehmens sind, so daß ein Ausverkauf nicht zur Diskussion steht. Richtig ist, daß wir durch die Schaffung der GmbHs die Selbständigkeit der Betriebe weiter erhöhen und damit auch die Möglichkeiten gegeben sind, daß die Betriebe sich Partnerschaften suchen können, sowohl in den westlichen als auch in den RGW-Ländern. Aber die Schaffung eines gemeinsamen Unternehmens ist die letzte Form der Kooperation. Der erste Schritt sollte sein, daß man sich auf einem bestimmten Gebiet zusammenschließt, gemeinsam produziert, eventuell gemeinsam entwickelt und gemeinsamen Gewinn erzielt, um dann andere Formen der Zusammenarbeit einzugehen. Die Mehrheitsbeteiligung an GmbHs ist nicht die Frage, sondern mit welchem Konzept die Betriebe gemeinsam auf den Markt gehen. Ich glaube auch, daß die Regierung entsprechende Entscheidungen treffen wird.

Erstaunlich ist, daß Ihre Betriebsdirektoren allesamt gerne im Kombinat bleiben wollen. Wenn Sie tatsächlich 30 bis 40 Prozent Produkte haben, die west- oder weltmarktfähig sind, warum sollten sich die Betriebsdirektoren dann nicht selbständig machen?

In der harten Marktwirtschaft, insbesondere auf unserem Gebiet, der Automatisierungstechnik, der Elektrotechnik und Elektronik, hat es jedes kleinere Unternehmen schwer, sich zu behaupten. Auch die Mehrzahl der bundesdeutschen Unternehmen ist in Lücken gegangen, um marktseitig bestehen zu können. Unsere Unternehmen wissen, daß in der Übergangszeit eine starke Rückendeckung durch einen starken Verband erforderlich ist. Damit schließe ich nicht aus, daß in geraumer Zeit das eine oder andere Herauslösen eines Betriebes möglich ist.

Als Unternehmen, das ein Drittel seiner Produkte in den Westen exportiert, sind Sie wahrscheinlich an einem möglichst günstigen Umtauschkurs interessiert. Ein Wechselkurs 1:1 wird die Konkurrenzfähigkeit eines Exporteurs wie EAW sehr stark beeinträchtigen.

Ich bin kein Politiker, und der Wechselkurs ist ein politischer Kurs. Unser Vorteil ist, daß wir durch unsere Verträge mit den RGW-Ländern, die wir in Leipzig gerade jetzt für 1991 unterschrieben oder konzipiert haben, etwas Atempause haben, um uns auf diese Dinge vorzubereiten.

Wird das EAW dann nicht seinen Atem aushauchen?

Nein, das glaube ich nicht. Gerade die Erzeugnispalette des EAW in seiner Vielzahl erlaubt uns, die Sortimente zu suchen, die auf der Marktseite Bestand haben. Und das Umwerben des EAW durch andere Unternehmen zeugt auch davon, daß man nicht nur die Vertriebsstruktur des EAW schätzt, sondern auch seine Kapazitäten.

Interview: Dietmar Bartz