„Ich habe an Schnur nie gezweifelt“

■ Interview mit dem Bremer CDU-Chef, Bernd Neumann, über seine Rolle beim Rücktritt des prominentesten Stasi-Mitarbeiter

Seit einem Monat versucht Bremens CDU-Chef Bernd Neumann, Christdemokraten in der DDR zu zeigen, wie man Wahlkampf macht. Jetzt wurde Neumann zum ersten Bundespolitiker, dem Wolfgang Schnur die Wahrheit über seine Stasi-Vergangenheit eröffnete. Im Auftrag Helmut Kohls mußte Neumann gemeinsam mit Eberhard Diepgen den Ex-Stasi-Mann aus dem Verkehr ziehen.

taz: Herr Neumann, seit wann haben Sie von Wolfgang Schnurs Stasi-Tätigkeiten gewußt?

Neumann: Hören Sie, das habe ich Ihren Kollegen doch gestern alles schon ausführlich erklärt. Ich habe wenig Lust...

Trotzdem scheint mir da noch einiges unklar: Am Dienstag hat Schnur noch alle Anschuldigungen öffentlich dementiert, am Montag soll das CDU-Präsidium schon gewußt haben, daß das Gegenteil wahr ist.

Nein, so ist das falsch. Am Montag kam ein Beauftragter Schnurs nach Bonn. Den kannte hier aber keiner. Deshalb wurde dann der Versuch gemacht, mich zu erreichen, um zu erfahren, was ist das überhaupt für einer. Volker Rühe hat mich dann aber erst am Dienstag morgen um sechs Uhr erreicht. Ich kannte zwar den Namen dieses Schnur -Beauftragten, konnte aber auch nicht beurteilen, ob er von Schnur autorisiert war. Mein Auftrag lautete daher: Fliegen Sie sofort los, besuchen Sie Schnur im Krankenhaus und berichten Sie wieder.

Was hat Ihnen Schnur gesagt?

Ich habe Schnur Dienstag mittag gesprochen. Er hat mir darauf bestätigt, was sein Vertrauter am Montag in Bonn vorgetragen hatte. Es hatte Kontakte Schnurs zur Stasi gegeben. Seine Frage war darauf: „Was verlangen Sie denn jetzt von mir?“ Und meine Antwort war: Verlangen nicht, aber ich kann Ihnen nur dringend empfehlen, sofort zurückzutreten.

Hat Schnur erklärt, warum er dementiert hat?

Ja, das war natürlich auch meine erste Frage. Er hat mir daraufhin seine ganze Lebensgeschichte erzählt. Die ist sehr tragisch. Und seine Rechtfertigung war: Ich hätte nie so vielen Leuten helfen können, wenn ich nicht auf der anderen Seite ... Was bleibt, ist die Tatsache, daß er zuvor falsche Auskünfte gegeben hatte. Und ich habe ihn natürlich auch gefragt, warum er nicht wenigstens mit Anstand zurückgetreten ist, als die Sache aufzufliegen drohte. Und er hat geantwortet, er habe seinen Freunden in der Demokratischen Allianz nicht schaden wollen. Schnur glaubte offensichtlich, sich bis zum 18. März retten zu können.

Was haben Sie mit dieser neuen Erkenntnis angefangen?

Ich habe sofort versucht, meinen Parteivorsitzenden, Helmut Kohl, zu informieren. Der Kanzler war zu diesem Zeitpunkt in Cottbus bei einer Wahlveranstaltung. Da gab's keine Möglichkeit, ihn zu sprechen. Ich bin dann mit Kohl am Dienstag abend zurück nach Bonn geflogen und habe dort berichtet. Und dann kam der nächste Ukas: „Nochmal hinfahren und dem Schnur deutlich machen, daß er untragbar geworden ist. Und ihm auch klar machen, daß wir - ob Schnur will oder nicht - den Vorgang der Öffentlichkeit mitteilen, damit wir nicht in die Rolle irgendwelcher Komplizenschaft geraten. hier Foto: Kohl und noch einer beim Bier

Haben Sie denn aufgrund Ihrer früheren Kontakte mit Schnur vorher nie Zweifel an seiner Integrität gehabt und seinen Unschuldsbeteuerungen bis zuletzt geglaubt?

Ich hatte bis Dienstag keinerlei Zweifel an diesem Mann. Natürlich kann man nie für einen anderen die Hand ins Feuer legen. Ich würde höchstens für meine Frau die Hand ins Feuer legen.

Und bei Schnur: Es gab ja mehrfach Gerüchte. Es gab ja jeden Tag über Gerüchte. Wenn an jedem Gerücht was dran wäre, hätte da ja jeder mit der Stasi zusammenarbeiten müssen. Es war ja auch klar, daß permanent Fälschungen liefen. Und gegenüber Schnur hat schließlich auch Eppelmann ständig von „meinem Freund Schnur“ geredet, obwohl die natürlich keine Freunde waren, sondern Konkurrenten. Was blieb uns denn da übrig, als Schnur seine Geschichte abzunehmen. Wir hatten den Mann schließlich nicht gewählt.

Verstehen Sie mich jetzt nicht falsch. Sie können diese ganze DDR-Vergangenheit nicht mit unseren Maßstäben messen. Da gab es drei Millionen SED-Mitglieder, 80.000 Stasi -Beamte, Hundertausende Spitzel. Und wer da irgendwie was werden wollte, mußte sich eben arrangieren.

Ihre Prognose für das Wahlergebnis: Was kostet diese Affäre die Allianz?

Ich glaube, daß es der Allianz insgesamt nicht so schaden wird, weil die CDU da nicht mit drinhängt. Ich glaube, daß der Demokratische Aufbruch schon darunter leiden wird. Nur muß man dazu wissen, daß die DA ohnehin nur bei fünf, sechs Prozent einzuordnen ist.

Fragen: K. S.