Strapse für die Bäuerin

■ „Die Nacht des Marders“, 22.30 Uhr, West 3

Die Kamera schwelgt in Naturbildern: Felder, Sonnenuntergänge, ein kleiner Teich - alles wie gemalt. Kein Zweifel: Kameramann Wedigo von Schultzendorff versteht sein Handwerk, arbeitet er doch, wie der Pressetext mitteilt, „vorwiegend in der Werbung“. Und hier werden Bilder nicht fotografiert, sondern gestylt. Tableaus sind da en vogue, hochgetrimmt mit Filtern und Effektlicht. Dem Debütfilm der erst 27jährigen Maria Theresia Wagner allerdings schaden derlei visuelle Manierismen. Die Geschichte von den Gewissensnöten der einfachen Bauersfrau Elisabeth (Annamirl Bierbichler) hätte eine einfühlsamere Kamerarbeit verdient. Der Anfang: Die Bäuerin trägt das harte Los der Landfrau ohne Klage. Eingebunden in einen omnipräsenten Katholizismus verrichtet sie ihr Tagewerk, und vor dem Einschlafen liest sie im Groschenroman oder wird beschlafen von ihrem Gatten im Dunkeln freilich und stets unter der Decke. Annamirl Bierbichler ist es zu verdanken, daß der Film nicht bereits nach zehn Minuten unter der Last der hier versammelten Klischees zusammenbricht. Das einnehmend-intensive Spiel der Achternbusch-Aktrice hält den Zuschauer buchstäblich bei der Stange, bis der Film zum Eigentlichen kommt: zur Freilegung der geheimen Wünsche und verbotenen Sehnsüchte dieser vom Leben nicht verwöhnten Frau. Mit siebzehn, monologisiert Elisabeth beim Wäscheaufhängen, habe sie ihren Zukünftigen kennengelernt, und der sei was Besonderes gewesen, damals, weil er nicht viel geredet habe. Heute aber macht sie ihr Angst, die Schweigsamkeit des Gatten, und als sie sich in ihrer Verzweiflung dem Fernsehapparat zuwendet, lacht ihr ein jodelnder Japaner entgegen, der die Daumen forsch unter die Träger seiner krachledernen Kniebundhose geklemmt hat. Die Nacht des Marders beschränkt sich nicht auf die Präsentation eines archaisch-harten Landlebens, das der Selbstfindung der Frau im Wege steht. Der Film entwirft ein gebrochenes Bild ländlicher Lebenszusammenhänge: die kulturelle Enteignung des von Arbeit und Tradition geprüften Alltags durch das Medium Fernsehen - trefflich ins Bild gesetzt durch das Zitat einer Volksmusiksendung mit asiatischer Beteiligung. Die Filmemacherin, selbst in Greisbach/ Niederbayern geboren, weiß um den Verfall, oder besser, die Korruption der ländlichen Kultur. Eine inszenatorische Umsetzung dieser detaillierten Milieukenntnis findet leider viel zu selten statt.

Eines Tages erscheint unvermittelt eine stumme Männergestalt auf dem Hof. Der Bauer nennt den Stummen Max und erlaubt, daß der Fremde ihm bei freier Kost und Logis zu Hand geht. Doch während der Landmann froh über die neue Arbeitskraft sein Schnapsglas erhebt, spürt Elisabeth schon jetzt die Verunsicherung, die der Fremde bei ihr auslöst. Naturverbunden haust der bärtige Hüne in einer Erdhöhle, und bisweilen zelebriert er des Nachts sogar obskure Messen. (Bei einer solchen muß übrigens der titelgebende Marder sein Leben lassen.) Obendrein wird der Fremdling sogar zur Erlöserfigur stilisiert. In Anlehnung an den biblischen Gleichniskatalog verkehrt der Stumme mit Huren, Spielern und Trunkenbolden, und am Ende des Films wird der exotische Kauz vom aufgebrachten Mob schier gelyncht, um nicht zu sagen, gekreuzigt. Dabei gibt sich der Film alle Mühe, die Gestalt des Eindringlings sorgsam-sukzessiv zu entwickeln: vom anfangs sympathischen Nonkonformist bis hin zur rätselhaften Erlöserfigur. Doch die Geschichte von der um die eigene Identität ringenden Bäuerin wird von der Regisseurin auf der Ebene von transzendentem Hokus-Pokus und schwarzer Magie abgehandelt. Daß für das Wunschdenken der Landwirtin nur das abgegriffene Bild einer rotlippigen, in Straps und Mieder verpackten Möchtegern-Dirne gefunden wurde, ist mehr als schade. Annamirl Bierbichler und auch der Zuschauer hätten eine originellere Vision verdient.

Friedrich Frey