„Fahrt's doch heim arbeiten, Servus!“

Nur einem Bruchteil der 35.000 RumänInnen gelang der Sprung nach Österreich / Grüne Grenze zu Ungarn dichtgemacht  ■  Aus Wien Michael Völker

„Nix Valuta, nix Austria.“ Die Visumpflicht für RumänInnen, die nach Österreich einreisen wollen, gilt seit Donnerstag null Uhr. Praktisch war sie aber schon seit Mittwoch in den Morgenstunden in Kraft: Die österreichische Bundesregierung hatte das Eintrittsgeld angehoben - nur wer 5.000 Schilling in harter Währung (gut 700 Mark) vorweisen konnte, durfte einreisen. Kaum eine Familie, die diese Summe pro Kopf auch Kinder - aufbringen konnte. „Da nix Freiheit“, sagten die Zöllner, „da Österreich.“ Und verwiesen die Flüchtlinge auf den Heimweg: „Budapest, Bukarest, Ceausescu eh kaputt, fahrt's heim arbeiten.“ „Servus in Österreich“, Werbespruch der heimischen Fremdenverkehrswirtschaft, mußte vielen als blanker Hohn erscheinen.

Ein Rumäne, der 3.000 Mark bei sich hatte, wurde ebenfalls an der Grenze angehalten. „Das kann er nur gestohlen haben“, waren sich die Zöllner sicher. Erst der zufällig vorbeikommende Wiener Sicherheitsdirektor entschied mit einem Achselzucken für die Einreisebewilligung: „Was soll ma machen?“

Der erwartete Andrang von bis zu 35.000 RumänInnen, die am Mittwoch morgen noch an der rumänisch-ungarischen Grenze gesichtet worden waren, blieb aus. Nur 5.000 Emigranten gelang der Sprung über die Grenze nach Österreich, viele gelangten nicht einmal in die Nähe der Übergänge Nickelsdorf, Klingenbach oder Deutschkreuz.

Die burgenländische Sicherheitsdirektion wurde mit Einheiten aus dem gesamten Bundesgebiet verstärkt. Vor allem in den Nachtstunden wurde die grüne Grenze, wo teilweise der Stacheldrahtverhau als Zeichen der österreichisch -ungarischen Freundschaft abgebaut worden war, intensiv kontrolliert. Auf der ungarischen Seite vor den Grenzübergängen standen Dutzende verlassene rumänische PKWs, von den Insassen keine Spur. Die versuchten ihr Glück über Feldwege und Wiesen, wo vor Monaten noch flüchtende DDR -Bürger von der österreichischen Bevölkerung mit „Hier ist Österreich“ freundlich empfangen und versorgt wurden. Die wenigen, die sich an den Grenzwachbeamten vorbeischmuggeln konnten, wurden im Rot-Kreuz-Lager versorgt.

Am burgenländischen Grenzübergang Nickelsdorf herrschten am späten Abend chaotische Zustände. Zollbeamte, die schon seit den Morgenstunden im Dienst und entsprechend gelaunt waren, versuchten den überraschten RumänInnen immer wieder zu erklären, warum ohne einen entsprechenden Devisenbetrag ein Grenzübertritt nicht möglich sei. „Schilling, Dollar, Mark? Nicht? Umdrehen, Budapest, Botschaft, Visum.“ Die österreichische Botschaft in Budapest gab aber keine Visa mehr aus, außer wenn die RumänInnen mit Geld und Hotelbuchungen ihre Harmlosigkeit als Touristen bewiesen.

Eine aufgebrachte Menge hinter dem Grenzübergang Nickelsdorf, der die Einreise verweigert worden war, blockierte mit Menschenketten und quergestellten Fahrzeugen die Straße - ein Protest als Ausdruck der Hilflosigkeit. „Traiskirchen, Traiskirchen“, flehten Rumänen die Grenzwachbeamten vergeblich an. Das Flüchtlingslager in Traiskirchen, 40km von Wien entfernt, ist seit Tagen für Neuankömmlinge geschlossen. 3.000 Flüchtlinge drängen sich in notdürftig adaptierten Räumen, Betten gibt es nur für die Hälfte. Angesichts des angekündigten Massenansturms weiterer Asylbewerber hatten die BewohnerInnen von Traiskirchen am Mittwoch ihren Ort verbarrikadiert. Trotzdem versuchten rumänische Flüchtlinge zu Fuß in das übervolle Lager zu gelangen. Beim Eingang waren jedoch zehn Gendarmeriebeamte postiert, die nur Personen mit Lagerausweis passieren ließen.