„Für so'n Scheiß streiken wir nicht“

■ Die Gewerkschaften bleiben stehen, die Basis will weiter / Sowohl ErzieherInnen als auch SPD-Fraktion lehnen Kompromißversuch der Gewerkschaften ab

Gellendes Pfeifkonzert, Buhrufe und Sprechchöre „Wir streiken weiter“ - von einem absehbaren Ende des KiTa -Streiks war gestern in der wöchentlichen Vollversammlung der streikenden ErzieherInnen nichts zu spüren - um so mehr dagegen die Empörung über die Kompromißbereitschaft der Gewerkschaften. „Wir machen weiter - auch ohne Euch“ tönte es unter lautem Beifall aus dem überfüllten Audimax der TU in Richtung Podium.

Bei dem Versuch, der Basis den Verzicht auf die tarifliche Regelung von Personalschlüssel und Gruppengröße schmackhaft zu machen, holten sich die Mitglieder der Tarifkommission, vor allem aber die Gewerkschaftsvorsitzenden Lange (ÖTV) und Laube (GEW) eine kräftige Abreibung.

In einer Presseerklärung hatte die Tarifkommission wenige Stunden zuvor ein sofortiges Ende des Streiks in Aussicht gestellt. Dafür sei der Weg frei, nachdem die Tarifkommission die Ergebnisse der Sondierungsgespräche mit Sozialsenatorin Stahmer akzeptiert habe. Gruppengröße und Personalschlüssel sollten demnach nur in einer beidseitigen Erklärung festgelegt werden, Vor- und Nachbereitungszeiten, Fort-und Weiterbildung sowie Umschulung dagegen gemäß Sondierungsgespräch tariflich geregelt werden. Die SPD -Fraktion und Sozialsenatorin Stahmer reagierten prompt und ablehnend. Stahmer bezeichnete die Darstellung der Gewerkschaften als „üblen Trick“, mit dem dem Senat der Schwarze Peter zugeschoben werden solle. Von einer tariflichen Regelung der Vor- und Nachbereitungszeiten sei in den Sondierungsgesprächen nie die Rede gewesen, erklärte die Sprecherin der Sozialverwaltung, Rita Herrmanns, auf Anfrage der taz.

„Das haben die nachträglich reingeschmuggelt.“ Auch die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL), die bundesweite Vereinigung der öffentlichen Arbeitgeber, habe am Donnerstag auf Anfrage des Senats eine solche Lösung abgelehnt. Auch der Fraktionsvorsitzende der SPD, Ditmar Staffelt, bestätigte, daß man zwar mit der Aufnahme von Tarifverhandlungen über die Fort- und Weiterbildung einverstanden sei, Vor- und Nachbereitunsgzeiten könnten jedoch nur in einer beidseitigen Erklärung vereinbart werden. Dies erklärte der GEW-Vorsitzende Laube für inakzeptabel. In den Sondierungsgesprächen sei die ablehnende Haltung des Senats keineswegs so klar gewesen. Ohne eine tarifliche Regelung für Vor-und Nachbereitung, die auch unweigerlich Auswirkungen auf den Personalschlüssel hat, sei ein Ende des Streiks nicht abzusehen. Einen weiteren Gesprächstermin mit dem Senat gibt es bislang nicht. Außerdem, so Laube, „besteht der Senat nicht nur aus der SPD.“

Abgesehen von der Konfrontation mit dem Senat sehen sich die Gewerkschaften offenbar auch einem zunehmenden Unmut der Streikenden ausgesetzt. Zumindest die große Mehrheit der anwesenden ErzieherInnen auf der gestrigen Streik-VV machte deutlich, daß es für sie weiterhin um einen uneingeschränkten Tarifvertrag geht. In einer kurzfristig anberaumten Umfrage in den Bezirken hatte die Tarifkommission gestern morgen zwar ein „Meinungsbild“ der Basis erstellen lassen, mit dem Ergebnis, daß eine hauchdünne Mehrheit für das vermeintliche Sondierungsergebnis gestimmt hätte. Von dieser Mehrheit war auf der Vollversammlung allerdings nichts zu sehen.

Das Umfrageverfahren löste zusätzliche Empörung aus. Weder seien alle Erzieherinnen gefragt worden, empörten sich zahlreiche Rednerinnen, noch sei vielen wirklich klar gewesen, was dieses Sondierungsgespräch nun im Detail enthalte. Für „so einen Scheiß“, so eine KiTa-Leiterin aus Kreuzberg, habe man nicht neun Wochen lang gestreikt.

anb/kotte