Ode an die Traumfabrik

■ Sidney Lumets „Die Göttliche“, Sonntag, 15 Uhr auf West 3

Greta Garbo war bereits ein großer Stummfilmstar in Hollywood, als 1930 ihr erster Tonfilm Anna Christie in die Kinos kam. Darum genügte den Produzenten ein schlichter Spruch, diesen Film zu bewerben: „Garbo talks!“ Und sie spricht noch immer, auch wenn sie sich 1941 im Alter von 36 Jahren aus dem Filmgeschäft und der Öffentlichkeit zurückzog und damit ihren Glamournimbus noch zu Lebzeiten zum Mythos erhob. Manche Chronisten bezeichnen nach wie vor diesen würdevollen Abgang als „überraschend“.

Als in der Folge des Zweiten Weltkrieges der europäische Markt wegfiel - wo die gebürtige Schwedin ein großes Publikum hatte - und ihr angestammtes Genre, die romantische Liebesgeschichte, auch in den USA weniger gefragt war, machte sie ihre Ankündigung wahr und löste von sich aus den lukrativen Vertrag, der sie mit den MGM-Studios verband. Garbo Talks heißt im Original auch Sidney Lumets Film, in dem die Garbo eine Hauptrolle spielt, ohne persönlich präsent zu sein. Eine lebenslustige, manchmal etwas kauzige, immer kämpferische Frau „in den besten Jahren“ verehrt „die Göttliche“ und deren Filme. Als sie erkrankt und ihr nur noch eine geringe Zeitspanne bleibt, setzt sie sich in den Kopf, die Garbo einmal persönlich kennenzulernen. Hilfe erhält sie von ihrem zurückhaltenden, spießbürgerlichen Sohn, einem Buchhalter mit entsprechendem Naturell, der für die Eskapaden seiner Mutter wenig Verständnis hat. Trotzdem möchte er ihren letzten Wunsch erfüllen und macht sich auf die Jagd nach der Garbo. Er vernachlässigt den im Grunde ungeliebten Job, auch seine Ehe geht in die Brüche, aber der Ausbruch aus dem geregelten Alltag weist ihm neue Perspektiven. Schließlich gelingt es ihm, während seine Mutter schon im Sterbebett liegt, „die Göttliche“ ausfindig zu machen...

Sidney Lumelt zieht in Die Göttliche beinahe sämtliche Register der Illusionsmaschinerie, der er sich bedient, und das ist durchaus gemeint als hochachtungsvolle Referenz an Hollywoods große Zeit, die Stars wie eben die Garbo hervorbrachte und in der Kino immer auch in bißchen Lebenshilfe war. Komödiantische, märchenhafte, spannende, rührselige Momente lösen einander ab; und man darf da und dort schon mal eine (Lach-)Träne aus dem Augenwinkel tupfen.

Die schöne Geschichte animiert förmlich dazu, die Grundidee fortzuspinnen. So wäre ein Film denkbar, in dem die Garbo unerkannt ins Kino geht und einen Film sieht, in dem eine lebenslustige, manchmal etwas kauzige, immer kämpferische Frau... Siehe oben.

Harald Keller