Die Welt - ein Schlachtfeld

■ Sam Fullers „Big Red One“, Samstag, 22.05 Uhr auf SAT.1

In Godards Pierrot le fou gibt es eine Partyszene, in der ein Amerikaner den vor Gleichgültigkeit erstarrten Gästen erklärt, was für ihn Kino ausmacht: „Ein Film ist wie ein Schlachtfeld - Liebe, Haß, action, Gewalt und Tod. In einem Wort: Emotion.“ Der Mann heißt Samuel Fuller und ist Regisseur, im Film wie im Leben. 1977 sehen wir ihn wieder: Mit seinen Markenzeichen, der zerkauten Großkaliber-Zigarre und dem schlohweißen Einstein-Schopf, verkörpert er in Wim Wenders Der amerikanische Freund einen Gangster. In Mika Kaurismäkis Helsinki-Napoli ist er in einer Nebenrolle ebenso präsent wie als Hauptdarsteller in Alexander Rockwells kürzlich angelaufener Tragikomödie Söhne. Für viele junge Regisseure war und ist der eigenwillige Amerikaner eine Art Vaterfigur, ein auteur im Sinne der Nouvelle-Vague-Theoretiker; nicht wenige seiner mitunter schnell und billig abgekurbelten Spielfilme gelten als Meisterwerke.

Fuller hat sich angeguckt, worüber er später Filme dreht: Er war Polizeireporter, und er war im Krieg. Während er für Wim Wenders vor der Kamera stand, verfolgte er schon das lange projektionierte Filmvorhaben, das er 1978/79 endlich verwirklichen konnte. The Big Red One, das war die rote Eins auf den Schulterstücken der Ersten Infanterie Division, deren Soldaten im Zweiten Weltkrieg in Afrika und Europa kämpften, unter ihnen der junge Fuller. Ähnlichkeiten der Biographie des Drehbuchautors/Regisseurs mit der Figur des Zab sind nicht zufällig - Zab ist GI, angehender Autor und Chronist der Ereignise. Nicht unähnlich dem Antikriegs-Epos Im Westen nichts Neues konzentriert sich der Film auf eine kleine Gruppe von Soldaten, fünf alte Hasen, und einige Greenhorns, die unter der Leitung eines verwitterten Sergeanten (Lee Marvin) vor allem um eines kämpfen: ums Überleben.

Wie stets macht es Fuller seinen RezipientInnen nicht leicht. Härte, Kriegsgreuel und Dreck bilden die Folie für plakatives Heldentum, für eine Kinogeschichte eben. Aber bei Fuller ist es halt immer ein bißchen mehr als nur eine Kinogeschichte, er liegt stets „einige Zentimeter neben dem Klischee“, wie 'The Guardian‘ schrieb. Leider gelang es Fuller nicht in jedem Fall, seine humanistische Grundhaltung so unmißverständlich deutlich zu machen wie in dem 1982 gedrehten White Dog, der wegen seiner kompromißlosen Darstellung des weißen Rassismus in den USA von den Produzenten zurückgehalten wurde.

Mag immerhin der eine oder andere Film, mag auch The Big Red One zwiespältig aufgefaßt und kontrovers diskutiert worden sein, so macht David Thomson zu Recht darauf aufmerksam: „Fuller hat sich vom Bürgerkrieg bis hin zu Vietnam mit jeder wichtigen Phase der amerikanischen Historie auseinandergesetzt; zurückbehalten hat er die Erkenntnis, daß die Welt ein Irrenhaus ist, in dem nur die Grausamkeit von Dauer ist.“

Harald Keller