Aufstand der Pfarrer gegen Tiefflieger im Allgäu

■ Bayerische Geistliche und ihre Schäfchen haben die Schnauze voll: Mit Tausenden von Luftballons wollen sie an einem geheimgehaltenen Tag gegen Tiefflugterror protestieren / Statt Liturgie und Frömmigkeit soll in 50 Ortschaften zu zivilem Ungehorsam gegriffen werden

Oy-Mittelberg (taz) - Eine Protestaktion, wie es sie bislang noch nicht im Allgäu gab, wollen 35 Pfarrer und einige tausend Bürger gegen den Tiefflugterror starten, und zwar zwischen Ende März und Ende Mai an einem geheimgehaltenen Tag. Mit Unterstützung der fränkischen Tieffluggegner aus der Aerea 7 sollen „Zeichen des friedlichen, aber nachdrücklichen Protestes gesetzt werden“, hieß es vergangene Woche bei einer Veranstaltung im Kurhaus von Oy -Mittelberg.

Wie sehr es im Allgäu gärt, zeigt nicht nur die enorme Resonanz auf eine Resolution von 35 katholischen und evangelischen Pfarrern, sondern vor allem die Art und Weise, wie sich die Pfarrer inzwischen zur Wehr setzen: „Wie lange lassen wir uns das noch gefallen, daß Krieg eigentlich der Normalzustand ist? Es reicht mit diesem Tiefflugterror - wir müssen notfalls auch zu zivilem Ungehorsam greifen!“ In ungewohnt rüdem Tonfall prangern die Pfarrer Peter Mayr aus Trauchgau und sein Kollege Konrad MÜller aus Oy an, was beinahe täglich auf sie niedergeht. Zu lange hätten sich die katholischen Pfarrer nur um Liturgie, innerkirchliche Veranstaltungen und Frömmigkeit gekümmert, sagte Müller. Und Kollege Mayr ergänzte: „Lange genug haben Pfarrer die böse Welt den anderen überlassen. Auch wir müssen uns einmischen.“ Den vom Tieffluglärm geplagten Bürgern empfahl der Geistliche, der zehn Jahre in der Missionsarbeit am Amazonas tätig war, sie sollten sich nicht einschüchtern lassen. Bei der geplanten Ballonaktion handle es sich um die friedlichste, schönste und humorvollste Art von Demonstration. „Die werden sich gut überlegen, ob sie in verbotenen Höhen direkt über unsere Köpfe hinwegdonnern, wenn an diesem Tag, den wir jetzt gewiß noch nicht verraten, 3.000 Ballons über etwa 50 Ortschaften aufsteigen“, so Mayr.

Skepsis kam auf, als sich plötzlich herausstellte, daß der stellvertretende Kemptener Polizeichef Otto Lohde im Saal war. „Ich bin in offizieller Mission hier“, sagte der Polizeibeamte, „um sie im Vorfeld einer möglicherweise ordnungswidrigen Aktion dringend aufzufordern, diese anzumelden.“

Unter heftigem Beifall konterte Pfarrer Mayr: „Das tun wir gerne, wenn sich jeder einzelne der 90 oder 100 Tiefflieger, die jeden Tag über uns hinwegdonnern, vorher auch bei uns anmeldet.“

Klaus Wittmann