Dies Irae im Weserstadion

■ „Au, die Cologne!“ / Werder gegen Köln 4:0 / Über falsche Prophten und Blutopfer

Daß die Mannschaft des 1. FC Köln schon zur Tertia in der Hansestadt weilte, wurde Dr. Franz Böhmert und Vize Klaus Klaus-Dieter Fischer spätestens klar, als sie am Freitag um 14 Uhr die Sielwallkreuzung passierten: Frank „Kokain“ Ordenewitz nutzte die freien Stunden für ein Fachgespräch mit alten Gesch£ftspartnern vor Stehpizza und Szenetreff „Taco“.

„Wenn der Otze wüßte, daß der Stoff in Bremen mittlerweile total gestreckt ist, würde er nicht mehr so dämlich grinsen“, lächelten die beiden maliziös.

Nach Nona schien es allerdings mal wieder weniger zu lachen zu geben: 15 Minuten orgelten die

Domstädter wie ein Meisterkandidat auf. Thomas Häßler zog mit Pierre „Tünnes“ Littbarski geschickt alle register, während auf der anderen Seite bewährte Kräfte wie Eilts oder Borowka vor allem durch Fehlpässe sündigten und erst allmählich übers Foul zum Spiel fanden.

So mußte es für die Geißbockelf wie die Niederkunft des Anti-Christen wirken, als Karl-„Heinz“ Riedle heimtückisch zum Bremer Führungstreffer abstaubte. Nun sollte für die braven Bürger vom Niederrhein eine wahrlich babylonische Viertelstunde beginnen, die ihren Glauben in den Grundfesten erschüttern ließ. Denn in der 30. Minute gab's schon wieder was vor die Domglocke: Der zornige Votava gongte aus 16 Metern unbarmherzig ein.

Jetzt hielt es Trainer Daum nicht länger auf dem heiligen Stuhl: „Seid endlich wachsam und mehret Euch“, verkündete er seiner Hintermannschaft. Aber es half nichts. Schon wenig später nahm Neubarth Maß, und der Ball schlüpfte Illgner zum 3:0 durch die Soutane. Um Gnade winselnd drängte es die Bruderschaft aus dem eingestürzten Hauptschiff in die Krypta. Zum Glück hatte Er ein Einsehen und sandte den erlösenden Halbzeitpfiff in die Herzen der Gläubigen.

Auf dem Weg zum Pausen-Meßwein nahmen wir Vereinsmaskottchen Joachim „Kardinal“ Meisner, Erzbischof von Köln seit 1273, die Beichte ab. „Aufgrund der irrigen Exegese der Offenbarung des Johannes (Gen. 4,1) haben wir mit Higl und Görtz die falschen Propheten aufgestellt - sie werden sich vor der heiligen Inquisition zu verantworten haben. Götz und Rahn werden in der zweiten Halbzeit die nordischen Geschöpfe Satans aufs Rad flechten“, schnauzte er ex cathedra.

Daß Litaneien und Blutopfer nicht viel genutzt hatten, zeigte sich aber 28 Minuten nach Vesper. Zitternd erwartete die verängstigte Herde die Vierte Plage, die Er als letzte Prüfung vorgesehen hatte. „Apocalypse Now!“ stieß der unversöhnliche Riedle aus, als er sich der Erde entgegenstreckte, dem Leibhaftigen gleich in der Luft stand und höhnisch zum 4:0 einköpfte.

„Au, die Cologne“, skandierte der Werder-Fanblock hintersin

nig - da mußte selbst Heinrich Böll auf der Ehrentribühne schmunzeln. fast hätte der heilige Wynton („Fasten sollt ihr vierzig Tage und vierzig Nächte, denn derer ist das Himmelreich!“) noch das ordensgemäße 5:0 erzielt. Aber er scheiterte genauso an der grimmigen Torwache Illgner, wie auf der anderen Seite Götz an Oliver „Zerberus“ Reck - so blieb es beim alles in allem kathartischen 4:0.

Auf dem anschließenden Abendmahl im VIP-Raum mußten sich die Kölner Würdenträger

zahlreiche ketzerische Fragen gefallen lassen. „Verdamp lang her“, sinnierte Superintendent Artzinger-Bolten af die Frage, ob seine Kölln-Flocken in einem Kreuzzug gegen das Böse schon jemals derartig zu Brei pürriert worden seien. Dieser Conclusion wird sich auch die europäische Christenheit anschließen müssen. Ohne den Hirtenstab über die Rheinländer brechen zu wollen: Eine solch gottverlassene Truppe wollte wohl noch nie den Himmel stürmen.

Chr. Bommert / A. Lachman