BITTE ZUM DIKTAT

■ Die „Intensiv„-Modemesse unterm Funkturm

Die Moderaten unter denen, die jede Saison die immergleichen Bilder - giggelnde Girls und coole Männerdarsteller auf geraden Stegen - pflichtgemäß vertonen müssen, resümieren immer wieder hohl: Das Modediktat hat ein Ende - erlaubt ist, was gefällt. Aber was gefällt? Ein Designer, der die „Offline“ genauso scheut wie den Zoff-Ableger vom Wochenende, die „Intensiv“, bezweifelt den sicheren Geschmack seiner Kollegen: „Was da als neue Kollektion daherkommt, variiert doch nur das alte. Ganz ohne Phantasie richtet man sich nach dem Verkauf vom letzten Mal. Und hat man ordentlich grün verkauft, wird nochmal grün zugelegt.“

Zur „Sofortbehandlung“ auf der „1. Station Berliner Modemacher“, der Modenschau der „Intensiv“, kümmerte sich am Freitag, Samstag und Sonntag in den Messehallen eine Krankenschwester im klinikweißen Dekor nach Klängen der TeVau-Schwarzwaldklinik um grün- und andersfarbiges zum Überziehen. „Innerhalb von elf Tagen haben wir die Intensiv -Station eingerichtet, um den Patienten Frühjahrsmode noch rechtzeitig zu präsentieren“, überplappert die Rotkreuzhaube den Knatsch mit den Offline-Organisatoren, die kurzfristig den traditionellen Frühjahrstermin in den Mai verlegt hatten und damit rund vierzig Aussteller und Designer zur Selbsthilfe, zur eigenen „Intensiv„-Modemesse, zwangen.

Dann hüpfen und schleichen, staksen und schreiten, tänzeln und marschieren all jene Modelle über den Laufsteg, die es so schnell wie möglich auf die Straße drängt. Und der verkniffene Designer-Kritiker hat Recht, wir sehen nichts, was wir nicht schon gesehen hätten: eine Ahoi-Kollektion, natürlich blauweiß, Fransen an schwarzweißroten Röcken und oben am Hut, Hemden ganz flowerpower und Jerseykleider in Op -Art, Anzüge mit Falten oben rechts und Röcke mit Falten unten links, und Dominalack und Knautschsamt und Rentierleder und Seide, handbemalt. Variationen nennen sich „Modifikation einer Hose“ und kommen daher als Hose mit Schlag und Hose mit Bund und Hose mit Torrerotaille und Hosenrock. Ähnlich phantasielos variiert ergeht es dem Klassiker Herrenanzug: gestreift oder uni, Ein- oder Zweireiher, Bundfalte mal mehr, mal weniger oder garnicht. Der Beifall ist freundlich - kein Aaah und kein Oooh - , die Stimmung gedeckt.

Die Choreographie der Show ist so pflichtbewußt banal wie die Schnitte der Damen- und Herrenschneider. Ein bißchen Bühnennebel, Tanzschritte wie in der Kiezdisco, Gesten, die eine Idee verraten, aber keine Gedanken. Spritzende Wasserpistolen sind ultimativer Gag und die Moderatorin wird es hoffentlich nie wieder versuchen. Der Unterhaltungswert umschmeichelt locker die Null.

Eine Ausstellerin legt sich mächtig ins Zeug, als sie die Kollegenschelte hört: „Wir sind nicht phantasielos. Wir machen halt tragbare Mode, mit hochwertigen Materialien in guter Verarbeitung.“ Und tut so, als ob die anvisierte Käuferschar sich eindecken will mit strapazierfähiger Kleidung, die ein ganzes Leben halten soll. Da sehnt man sich zurück zum Modediktat und hofft was anderes zu sehen, jede Saison neu.

eka