Rote Frontstadt

Die Ostberliner haben gestern gegen den Trend gewählt  ■ K O M M E N T A R

Die ganze DDR ist seit gestern rabenschwarz. Die ganze DDR? Nein. In der Hauptstadt haben gestern über 60 Prozent gegen den Trend gewählt. Daß die SED-Nachfolgetruppe irgendwo im Arbeiter- und Bauernstaat noch einmal zweitstärkste Kraft werden würde, haben wohl selbst die PDSler nicht für möglich gehalten, die für ihren Zweckoptimismus bezahlt werden. Und die SPD kann sich wenigstens hier damit brüsten, stärkste der Parteien geworden zu sein.

Eberhard Diepgen, dem bisher nichts wichtiger schien als schnellstmögliche Gesamtberliner Wahlen, wird sich nun gründlich überlegen, ob er weiter auf die Tube drücken will. Denn wenn die BerlinerInnen aus beiden Teilen der Stadt zusammen an die Urne schreiten, wäre die Zementierung einer sozialdemokratischen Mehrheit auf Jahre hinaus denkbar.

Kopfschmerzen dürften auch die Rot-Grün-Tüftler der AL bekommen. Denn wenigstens in einem Punkt gleicht die Ostberliner Auszählung dem der übrigen DDR: Die Grünen spielen, vom Bezirk Prenzlauer Berg abgesehen, keine Rolle. Das Wahlverhalten der Hauptstädter wird den Befürwortern der Koalition die Arbeit in der AL jedenfalls nicht leichter machen.

Claus Christian Malzahn