Der Süden und das Land entschieden

■ In Thüringen und Sachsen klare absolute Mehrheiten für die Allianz / In Berlin und anderen Großstädten sind SPD und PDS stark / Erstaunliche Kongruenz zwischen Bonner Wahlkampfspenden und dem Wahlergebnis

Berlin (taz) - Der Sieg der konservativen Parteien bei der DDR-Wahl ist in Thüringen und Sachen sowie von den Wählern und Wählerinnen auf dem Land entschieden worden. Das ergeben erste Analyse von Einzelergebnissen der Forschungsgruppe Wahlen sowie des Infas-Instituts. Danach kommt die „Allianz“ in Sachsen auf 60, in Thüringen auf 61 Prozent, während sie in den nördlichen Ländern Brandenburg (37 Prozent), Mecklenburg (44 Prozent) sowie der Hauptstadt Berlin (37 Prozent) erheblich darunter liegt.

Das Gefälle der SPD geht umgekehrt von Norden nach Süden, von 37 Prozent in Berlin herunter bis auf nur 15 Prozent in Sachsen und 16 in Thüringen. Ähnlich die PDS: Ihr Anteil sinkt von 26 Prozent in Berlin auf 10 Prozent in Sachsen und Thüringen.

Die DSU, die - im Gegensatz zur CDU, die durchaus kritisch gegenüber der West-CDU blieb - gegenüber ihren Ziehvätern von der CSU nicht die geringste kritische Distanz gezeigt und die in ihren südlichen Stammländern den militantesten Wahlkampf geführt hat, hat mit knapp 7 Prozent (im Süden allerdings wesentlich darüber) landesweit nur einen bescheidenen Erfolg erzielt.

Und der Demokratische Aufbruch, der aus einer Bürgerrechtsorganisation zu einem christdemokratischen Kunstprodukt mutiert war, ist mit unter einem Prozent praktisch gescheitert. Folge sicherlich auch - aber nicht nur - des Falles Schnur.

Nach den ersten Wahlanalysen gibt es nicht nur ein Nord-Süd -Gefälle, sondern auch deutliche Unterschiede im Wahlverhalten von Stadt und Land. Nach einer ersten Analyse hat die CDU auf den Dörfern 51,5 Prozent erzielt (DDR -Durchschnitt - zu diesem Zeitpunkt - 44), die SPD 18,2 Prozent (21,6) und die PDS 10,1 Prozent (15,5). In den Großstädten war demnach das Ergebnis umgekehrt. Dort wurde die SPD mit 29 Prozent stärkste Kraft vor der CDU mit 24,8, die sogar noch hinter der PDS lag, die 24,9 Prozent erreichte. In Berlin erhielt die SPD 37 Prozent und die PDS 26 Prozent.

In Umfragen vor der Wahl hatten die Befragten der „Allianz“ eindeutig höhere Kompetenz für die Vereinigung zugesprochen. Es ist offenkundig, daß dieser Glaube die Wahlentscheidung beeinflußt hat. Das Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen hat bekanntlich in den letzten Wochen schon mitgewählt: durch großzügige Geldgeschenke über die parteinahen Stiftungen. Die Bürgerrechtsbewegungen und die Grünen gingen schon bei der Geldverteilung leer aus. Ersterer Verdienst um die Revolution in der DDR hat offenbar keine große Rolle mehr gespielt.

Es scheint sich abzuzeichnen, daß in Ost-Berlin demnächst eine Koalition nach dem Vorbild der Bonner Regierung zustande kommen wird. Dabei sind hier aber Konflikte abzusehen, denn CDU-Chef de Maiziere hat bereits angedeutet, daß es ihm lieber wäre, die SPD mit in die Regierungsverantwortung einzubinden. Sein Allianz-Partner Ebeling hat - durchaus konsequent - schon erklärt, daß er mit den Sozis nichts im Sinne hat. SPD und PDS in der Opposition, verstärkt um die Abgeordneten der Bürgerbewegungen, wären in der Tat eine starke Opposition.

Walter Süß