Katholische Moral bleibt ungebrochen

Der Resolution des Europaparlaments, Abtreibung zu legalisieren, wird sich Irland wohl nicht beugen. Die Konservativen forderten, Irland solle eher aus der EG austreten, als die Abtreibung in Irland legalisieren.  ■  Aus Dublin Ralf Sotscheck

Kaum ein Thema löst in Irland so emotionale Diskussionen aus, wie die Frage der Abtreibung. Die Aufforderung des Europäischen Parlaments, Abtreibung in allen EG -Mitgliedsstaaten zu legalisieren, ist auf der „grünen Insel“ mit gemischten Gefühlen aufgenommen worden. Das Straßburger Parlament hatte in der vergangenen Woche einen entsprechenden Antrag Nell van Dijks von den niederländischen Grünen mit deutlicher Mehrheit angenommen. Die Resolution bezog sich ausdrücklich auf Belgien und Irland. In beiden Ländern ist Abtreibung verboten. Anne O'Leary von der irischen „Informations-Netzwerk-Kampagne“ glaubt jedoch nicht, daß die Resolution Auswirkungen in Irland haben wird. „Das hebt zwar die Moral der Frauen, aber am Abtreibungsverbot wird sich nichts ändern“, sagt sie. „Leider denken die meisten irischen Abgeordneten wie Maher.“ Der unabhängige Europaabgeordnete T.J. Maher hatte vor dem Straßburger Parlament behauptet, die EG wolle „das irische Volk dazu zwingen, Mord zu begehen.“ Irland solle eher aus der EG austreten, als sich dieser Resolution beugen, fügte Maher hinzu. Zwei weitere irische Abgeordnete, Paddy Cooney und Pat Cox, stimmten Maher zu und warfen dem Europaparlament vor, seine Kompetenzen überschritten zu haben. Proinsias de Rossa von der „Workers‘ Party“ unterstützte den niederländischen Antrag und wies darauf hin, daß jedes Jahr 5.000 irische Frauen nach England fahren, um dort abzutreiben.

Irland ist neben Chile das einzige Land der Welt, in dem Abtreibung per Verfassung verboten ist. Das Verbot wurde 1983 nach einer aggressiven Kampagne der erzreaktionären „Gesellschaft zum Schutz ungeborener Kinder“ (SPUC) per Volksentscheid durchgesetzt. Doch damit gab SPUC noch keine Ruhe. Drei Jahre später erklärte das höchste irische Gericht, daß auch das Weitergeben von Informationen über Abtreibungsmöglichkeiten in Großbritannien verfassungswidrig ist. Wer Adressen oder Telefonnummern von britischen Abtreibungskliniken an hilfesuchende irische Frauen weitergibt, macht sich seitdem mit „vorsätzlicher Tatbeihilfe“ strafbar. Das Frauenberatungszentrum „Open Door“ hat nach dem Urteil dichtgemacht und stattdessen die Telefonberatung „Open Line“ eingerichtet, die am Rande der Legalität arbeitet. Die Leiterin Ruth Riddick sagt: „Open Line ist keine formelle Beratungsstelle, sondern hat den Charakter eines Gesprächs unter Freundinnen. Und ich gehe davon aus, daß ich an meinem Telefon reden kann, was und mit wem ich will.“

Über das Informationsverbot muß nun der Europäische Gerichtshof entscheiden. Drei irische Studentengewerkschaften haben in der vergangenen Woche Klage eingereicht. Sie waren von den selbsternannten Verfassungsschützern von SPUC mit Gerichtsverfahren überhäuft worden. Im vergangenen Dezember ließ der Oberste Gerichtshof sämtliche Publikationen der Studentenorganisationen einziehen, die über Abtreibung in Großbritannien informierten. Die presserechtlich Verantwortlichen wurden zur Zahlung der Gerichtskosten in Höhe von 100.000 Mark verurteilt. In einem weiteren Gerichtsverfahren vertagte Richterin Mella Carroll vor einer Woche die Entscheidung, um eine Stellungnahme des Europäischen Gerichtshofs abzuwarten. Damit ist jedoch nicht vor Mitte nächsten Jahres zu rechnen. Die britische Journalistin Ann Bradley sagte, die Kampagne der Frauen in Irland sei auch für britische Frauen sehr wichtig, da das Recht auf Abtreibung in Großbritannien verstärkten Angriffen ausgesetzt sei. „Viele Londoner Krankenhäuser lehnen wegen der Haushaltskürzungen Abtreibungen nach der zwölften Schwangerschaftswoche als unwesentlich ab“, sagte Bradley. Außerdem warnte sie davor, sich den SPUC-Klagen zu beugen und Selbstzensur zu üben. Ihr Artikel in der britischen Zeitschrift 'Company‘, der die Adressen verschiedener Frauenberatungsstellen enthielt, mußte vor dem Verkauf in Irland herausgenommen werden, weil sich die Grossisten aus Angst vor Prozessen geweigert hatten, die Zeitschrift auszuliefern.

Anne O'Leary ist davon überzeugt, daß das Ergebnis eines Abtreibungsreferendums heute nicht anders als vor sieben Jahren aussehen würde: „Wir können nur hoffen, daß der Einfluß der katholischen Kirche und ihrer Hilfsorganisationen wie SPUC langsam zurückgedrängt werden kann.“ Bis dahin ist es jedoch ein weiter Weg. Das Europäische Parlament drückte in der Resolution seine Entrüstung darüber aus, daß selbst der Verkauf von Verhütungsmitteln in Irland behindert wird. Dadurch wird ein Teufelskreislauf in Gang gesetzt, dem Frauen offenbar nur mit Enthaltsamkeit entgehen können.