Die Strafräume wurden zum Fegefeuer

Bayern München - Eintracht Frankfurt 1:0 / Die bezaubernd kickenden Hessen vergaßen nur den Torschuß  ■  Aus München Thomas Pampuch

„Ach herrje, herrje. Immer dasselbe, es ist zum Kotzen.“ (Originalzitat, Pressetribüne, Olympiastadion München, Samstag, 17. März, 58. Minute des Spitzenspiels Bayern gegen Frankfurt). Selbst in Ehren ergraute FC Bayern -Hofberichterstatter fangen an, mit dem sagenhaften Massel, das heißt, mit dem unverdienten Glück der Rothosen zu hadern. Da kommt endlich mal ein Frechling und zieht den Bayern die Lederhosen bis über beide Ohren, aber dann klemmt es eben doch, und die Leute um Augenthaler und Kögl haben nicht nur ihre Hosen wieder da, wo sie hingehören, sondern auch ihre zwei Punkte im Sack. Und schmeißen dann am Schluß des Spiels ihre Trikots wie zum Hohn in die Südkurve. Die Welt ist schlecht.

Selten war die Kulisse eines Bubenstückes so heiter, freudig, historisch: Beginn der Starkbierzeit, bayrische Kommunalwahl am Sonntag, saublauer Himmel, das Stadion zum ersten Mal in der Saison mit 70.000 Menschen vollbesetzt. Nicht zu vergessen: die deutsch-deutsche Schicksalswahl vor der Tür. Und was bot die Eintracht? Immerhin einen Trainer, der fließend sächsisch spricht, ein vereinspolitisches Konzept, das immer mehr auf echte Frankfurter setzt und eine Frische und Keckheit, die im Olympiastadion in dieser Form lange nicht mehr gesehen wurde.

Nach einer Viertelstunde hätte es 4:0 für die Frankfurter heißen müssen. So blaß haben die Bayern schon lange nicht mehr ausgesehen. Ein ums andere Mal wurde Aumanns Strafraum ein Raum der Strafe. Ein regelrechtes Purgatorium, wo die Abwehrsünden der Bayern siedend heiß vorgeführt wurden. Doch den unglückseligen Frankfurtern schien das zu genügen. Als würde die Überlegenheit allein schon die Punkte bringen, vertändelten sie fast fröhlich Chance um Chance. So sicher waren sie sich ihrer Sache.

Doch vorführen ist nicht durchführen. Die Bayern steckten die Demütigungen weg, wie ein hartgesottener Profiboxer Niederschläge wegsteckt, weil er weiß, das er nur den einen Punch braucht. Die Münchner wankten, aber sie gingen nicht k.o. Sie verschafften sich gegen Ende der ersten Halbzeit sogar Luft, um wieder herauszufinden, wo das Tor des frechen Gegners lag.

„Just one punch!“ Das ist das Erfolgskonzept der Bayern in solchen Situationen. Seit Jahren. Und die Frankfurter, diese wunderbaren Grünschnäbel, haben es einfach vergessen. Wie sagte der Mann am Pißbecken in der Halbzeit so richtig: „Wer solchene Chancen auslaßt, der g'hert g'straft.“ So kam es wie es kommen mußte. Steins Strafraum wurde zum Purgatorium der Frankfurter Sturmsünden. Und - tragisch, tragisch - es war ein dummes Mißverständnis zwischen Andersen und Stein, das das Schicksal der Himmelsstürmer vom Main besiegelte. „Leo“, was in der Fußballersprache so viel heißt wie: „Den nehme ich“, rief Stein, als Augenthaler einen eher harmlosen Kopfball in seinen Strafraum beförderte. Andersen, der den Ball locker hätte abwehren können, zog den Kopf ein und ließ ihn durch. Doch nicht Stein fing den Ball, sondern Thomas Strunz, der Jüngste auf dem Platz, bekam ihn auf den Fuß und schob ihn Stein durch die Beine ins Netz. Es war die 58. Minute. Immer dasselbe.

Der Rest war bayrische Routine. Solch eine Butter lassen sich Heynckes‘ Juppies nicht mehr von der Semmel nehmen. Sie wurden sogar noch richtig munter und zeigten, daß sie, wenn sie einmal oben schwimmen, auch ansprechend spielen können. Derweil zelebrierte die Eintracht Verzweiflungsfußball. Das Florett der ersten Halbzeit wurde mit der Brechstange vertauscht, aber da konnten die bayrischen Götter nur noch milde lächeln.

Genauso milde wie Heynckes, der in der Pressekonferenz ohne jede Scham sagte: „Die bessere Mannschaft hat verloren.“ Was tut's? Die Punkte sind an der Isar, der Vorsprung vor den hessischen Verfolgern ist auf vier angewachsen. Und sonst? Opel Rüsselsheim finanziert die Münchner mit gutem Grund weiter und: „Das Siegerland grüßt den 1. FC Bayern“, sagte eine Transparent. Nichts ist so attraktiv wie der Erfolg. Es ist zum Kotzen.

MÜNCHEN: Aumann - Augenthaler - Grahammer, Kohler, Pflügler - Reuter, Dorfner, Strunz, Kögl - Mihajlovic (76. Flick), Wohlfarth (62. Bender)

FRANKFURT: Stein - Binz - Roth, Körbel (46. Bindewald), Studer - Sievers (76. Turowski), Gründel, Bein, Falkenmayer

-Andersen, Eckstein