Ruhrgebiet: Konjunktur ohne Frauen

■ Im Ruhrgebiet sind vor allem Arbeitsplätze für Frauen Mangelware / Erste Frauen-Ruhrgebietskonferenz debattierte in Hagen über Politik, Projekte und sinnvolle Förderung

Essen (taz) - Noch tun Frauen im Ruhrgebiet sich schwer, über die Stadtgrenzen der Revierstädte hinaus mit feministischer Politik für die ganze Region an Profil zu gewinnen. Das zeigte die erste Tagung zu „Frauen -Perspektiven im Ruhrgebiet“ am vergangenen Samstag in Hagen, zu der auf Einladung der Grünen etwa 50 Interessentinnen gekommen waren. Ziel war es, die verschiedenen Programme, mit denen die NRW-Landesregierung auf die wirtschaftliche Umstrukturierung des Reviers reagiert, auf ihren Nutzen für die Interessen von Frauen abzuklopfen und Wege zu einer frauenpolitischen Zusammenarbeit im Ruhrgebiet zu finden, um so den eigenen Einfluß verstärken zu können.

Zentrales Thema der Tagung war die Erwerbsarbeit - also die besonderen Schwierigkeiten, denen Frauen im Ruhrgebiet gegenüberstehen, wenn sie selbständig leben wollen. Immer schon hatten im Ruhrgebiet weniger Frauen einen Arbeitsplatz als in anderen Regionen. Aus der dörflichen Struktur der Zechensiedlungen ergab sich die traditionell enge Bindung an die Familie. In Haus und Garten und durch die Versorgung von Kostgängern erwirtschafteten die Frauen einen Teil des Familieneinkommens durch informelle Arbeit. Noch in den Kämpfen der Rheinhausener und Hattinger Frauen um die Arbeitsplätze ihrer Männer zeigen sich diese traditionellen Strukturen. Als schließlich in den 60er Jahren eine Zeche nach der anderen dichtgemacht wurde, sahen Politiker und Gewerkschaften die Krise lediglich als Krise der Männerarbeit. Dabei nahm die Frauenarbeitslosigkeit noch zu.

Die Frauenerwerbsquote im Revier liegt bei gut 30 Prozent und damit unter der Erwerbsquote im übrigen Nordrhein -Westfalen. Gleichwohl stellen Frauen die Hälfte aller Arbeitslosen und zwei Drittel der SozialhilfeempfängerInnen. Marianne Wienemann vom Weiterbildungszentrum der Bochumer Uni vertrat in Hagen die These, daß Frauen selbst bei einer guten konjunkturellen Entwicklung im Ruhrgebiet weiter auf schlechtbezahlte und ungesicherte Arbeitsplätze für Minderqualifizierte abrutschen. Beispielsweise in der Produktion zeige sich, daß trotz Facharbeitermangel weder deutlich mehr Mädchen in technischen Berufen ausgebildet noch vermehrt bereits qualifizierte Facharbeiterinnen eingestellt würden. Auch im expandierenden Dienstleistungssektor landeten Frauen weiter auf den unteren (Arbeits-)Plätzen.

Vor diesem Hintergrund kritisierten die Tagungsteilnehmerinnen die „gleichstellungspolitischen Maßnahmen“ der Landesregierung, die diese im Rahmen der Ruhrgebiets-Strukturprogramme (Zukunftsinitiative Montanregion (ZIM), Zukunft in den Regionen Nordrhein -Westfalens (ZIN)) in den letzten drei Jahren beschlossen hat. Computer-Lehrgänge in Projekten wie „Frauen und Neue Technologien“ vermittelten lediglich Anfangswissen und machten Frauen zu Zuarbeiterinnen im Dienstleistungsbereich und in den Büros neuangesiedelter Unternehmen. Gleichzeitig seien mit dem Wirtschaftsförderungsprogramm ZIM vorrangig solche Technologien gefördert worden wie Kommunikationstechnik und Mikroelektronik, die Rationalisierungsschübe bei Frauenarbeitsplätzen zur Folge haben. Marianne Hürten, grüne Landtagskandidatin, gab aber auch zu bedenken, daß mehr Frauen sich gezielt für die neuen Arbeitsplätze qualifizieren müßten, um diesen Teufelskreis zu durchbrechen.

Die Verteilung der Gelder über das ZIN-Programm wird auf regionaler Ebene entschieden. Die Kommunen haben nur indirekt Einfluß darauf, welche Vorhaben mit Landesmitteln gefördert werden sollen. Vertreten über Initiativen, Frauenprojekte und Gleichstellungsstellen sind die Frauen im Ruhrgebiet aber nur in den einzelnen Städten, Wirtschaftsförderung im Rahmen der ZIN-Projekte geht an ihnen vorbei. Wie Frauen allerdings ihre Interessen ruhrgebietsweit besser vertreten könnten, blieb in Hagen offen.

Nicht politische Auseinandersetzungen, sondern „vorzeigbare Projekte“ hielt Kirsten Ihrle von der GIB, einer Beratungsgesellschaft für Beschäftigungsinitiativen, für den derzeit besten Weg, das bezüglich der Frauenarbeitslosigkeit im Ruhrgebiet völlig unterentwickelte Problembewußtsein zu fördern. Beispielhaft dafür steht das „Frieda-Projekt“, das im Rahmen der Internationalen Bauausstellung Emscherpark von der Oberhausener Gleichstellungsstelle entwickelt wurde. Hier sollen in Werkstätten und Dienstleistungsbetrieben in den nächsten zehn Jahren 80-100 Frauenarbeitsplätze entstehen; von hier aus sollen dann möglichst viele Frauen den Sprung in sogenannte Normalarbeitsverhältnisse schaffen.

bm