Umbla Umpf ins Fin de Siecle

■ Ein Vortrag über Hugo Ball im Ambrosia

Am Freitag sprach im Ambrosia Martin Korol, Herausgeber eines Bands mit politischen Schriften Ernst Blochs aus der Zeit seinerEmigration im Ersten Weltkrieg, über Hugo Ball und den Züricher Dadaismus. Ein ungewöhnlich langer und ausführlicher Vortrag, der nicht nur die Biographie Hugo Balls und seiner Lebensgefährtin Emmy Jennings umfaßte, sondern auch den Zürcher Dada des Cabaret Voltaire vom Berliner Nachkriegs-Dada abgrenzte.

Letzterer sei reiner Klamauk gewesen und bezeichnend, daß nur eine Person (Richard Huelsenbeck) in beiden Szenen auftrat. Die Zürcher und insbesondere Hugo Ball dagegen hätten eine ernstere Reaktion auf die Krise der Zeit dargestellt, auch weil sie versuchten, gegen die Greuel des Krieges anzuschreien.

Hugo Ball hatte politische Be

rührung mit den linken Sozialdemokraten der Schweiz (Fritz Brupbacher) und arbeitete an führender Stelle bei der Freien Zeitung (Ernst Bloch) mit, die die Hoffnung auf demokratische Revolution in Deutschland mit der Kriegspropaganda der Entente verknüpfte.

Zu dada-ähnlichen Erscheinungen in der Kultur wäre es jedoch nach Martin Korol auch ohne Weltkrieg gekommen. Des Längeren beschrieb er die matte Endzeitstimmung der Jahrhundertwende, das Gefühl allseitiger Entfremdung, und bezeichnete drei Reaktionen auf das Fin de siecle: „Zurück zu den Klassikern“, was in Trivialliteratur und sozialistischem Realismus endet; „Zurück zur Natur“ (Jugendbewegung); „Expressionismus“, der nichts anderes darstelle als der Ruf nach positiver Aktion.

Dada war ein Kind des letzteren. Die formale Vorgehensweise des Lautgedichts („Umbla Umpf“) etwa habe es schon vorher gegeben, so bei Christian Morgenstern. Und da glaubt Martin Korol die Bedeutung des Dadaismus für heute festzumachen. Das unterschwellige Interesse heute an allen Kunstrichtungen jener Zeit ist ihm Indiz (sogar daß eine Bremer Rockgruppe Tristan Tzara heißt).

Sein Vortrag war gespickt mit oft recht bemühten Einzelvergleichen beider Zeitalter. Die große Gemeinsamkeit aber sei das Bevorstehen, Eintreten einer Katastrophe diesmal des ökologischen Weltendes. Tja, da hilft wohl nur noch beten. In diesem Sinne war das Ambrosia als Esoterikgeschäft ein angemessener Veranstaltungsort.

Klemens Alff