Namibias Gang in die Unabhängigkeit - neues Kapitel für Afrikas Zukunft

■ Bei den Feiern zur Unabhängigkeit der letzten Kolonie Afrikas am 21.März wollen alle dabei sein / Im Land herrscht Hoffnung auf eine bessere Zukunft

Berlin (taz) - Wenn die letzte Kolonie Afrikas am 21.März ihre Unabhängigkeit deklarieren wird, dann könnte auch ein neues Kapitel für die Zukunft ganz Afrikas aufgeschlagen werden. Während sich Anrainer-Staaten wie Mosambik, Angola und auch Zimbabwe mit Einparteiensystem, wirtschaftlichem Dirigismus und auch Bürgerkrieg abquälen, hat Namibia einen historisch günstigen Zeitpunkt erwischt und entsteigt seiner unliebsamen Vergangenheit als Mehrparteiensystem mit Mischwirtschaft.

Die ehemals marxistische Befreiungsbewegung Swapo, Siegerin der ersten freien Wahlen vom November 1989, zeigte sich einsichtig und warf all den dogmatischen Ballast über Bord, der schon so vielen jungen afrikanischen Nationen im Lauf der letzten 20 Jahre das Rückgrat brach.

Sam Nujoma, bei seiner Rückkehr aus dem Exil als unberechenbarer Hardliner verschrien, machte eine Metamorphose zu einer Art namibischem Mandela durch: Er wurde ein Mann des Kompromisses und der Versöhnung zwischen Schwarz und Weiß. Das Land von der Größe Frankreichs und mit etwa 1,5 Millionen Einwohnern (davon 80.000 Weiße) steht ökonomisch nicht so schlecht da, wie viele meinen. Jedenfalls wird es keinen weißen Exodus und auch keine Politik der verbrannten Erde wie in Angola geben. Die Bedürfnisse der unterdrückten und pauperisierten schwarzen Bevölkerung allerdings werden nicht sofort - wenn überhaupt

-befriedigt werden können.

Im agrarischen Wüstenstaat Namibia steht besonders eine Landreform aus, die auch vor Enteignung der großen weißen Latifundien nicht zurückschreckt. 30.000 Menschen kamen in diesen Wochen aus dem vom 23jährigen Bürgerkrieg mitgenommenen nördlichen Ovamboland nach Windhuk und leben seither im Township Katutura: Warten auf eine bessere Zukunft.

Doch heute und morgen wird kein Zorn als Wermutstropfen die Freude trüben. Es scheint, als wolle die ganze Welt mitfeiern an einem Erfolg, der nicht zuletzt einer veränderten Dritte-Welt-Politik der UdSSR zu verdanken ist: Allein 2.000 afrikanische und internationale PolitikerInnen werden in Windhuk erwartet (günstige Gelegenheit für diverse Gipfel), und ebenso viele JournalistInnen, die in Eisenbahnwaggons in der verschlafenen Hauptstadt der ehemaligen deutschen Kolonie campieren. Südafrika wird sich in der Person seines weißen Präsidenten de Klerk gnädig -väterlich geben, es werden Konzerte und Dankgottesdienste abgehalten. Vorhersehbarer Höhepunkt: Nelson Mandela umarmt Sam Nujoma, und beide werden dem südafrikanischen Volk einen ähnlich positiven Ausgang wünschen. Nur ein Land bleibt demonstrativ fern: Israel. Dieselbe Luft wie die eingeladene PLO atmen? Niemals...

Andrea Seibel