Schwäbisch-badischer Wellensalat

Baden-Württembergs Radiolandschaft kommt in Bewegung / Das Landesmediengesetz ist dringend reformbedürftig / Die über 50 Privatstationen können sich nicht aus Werbeeinnahmen finanzieren  ■  Aus Stuttgart Erwin Single

Wer bei einer Autofahrt durch Baden-Württemberg am Radio Wellenreiter spielt, wird rundum bedudelt. Seit vor vier Jahren das Landesmediengesetz in Kraft trat, sind im Südwesten 21 regionale und über 30 lokale Privatstationen regelmäßig auf Sendung gegangen. Mit der vielbeschworenen Medienvielfalt scheint im Ländle derzeit niemand mehr glücklich zu sein. Mit Kritik und Änderungswünschen muß sich jetzt die Landesregierung auseinandersetzen. Das versuchsweise auf fünf Jahre befristete Landesmediengesetz soll in diesem Jahr novelliert werden.

Daß der Privatfunk im Ländle in einer Krise steckt, mußte bereits Ende des vergangenen Jahres die Landesanstalt für Kommunikation (LfK) in ihrem Erfahrungsbericht an die Stuttgarter Regierung offen zugeben. Den lokalen Radiostationen, einst vielgepriesenes Prunkstück des baden -württembergischen Gesetzeswerks, drohe der Ausverkauf oder die Pleite, stellte die öffentlich-rechtliche „Zulassungsstelle“ für den Privatfunk fest. Die Lokalradios erreichen zuwenig HörerInnen, wodurch lukrative Werbekundschaft wegbleibt. Um schwarze Zahlen zu schreiben, brauche man mindestens 100.000 HörerInnen täglich, sagen die Experten. Doch viele der Lokalsender haben derzeit nicht einmal die Hälfte. Und der Werbekuchen scheint kleiner zu sein als erwartet. Nur ganze drei Prozent der Sendezeit mache die Werbung im Privatfunk aus, errechnete die LfK. Erlaubt sind nach dem Gesetz bis zu zehn Minuten pro Stunde.

Die LfK sieht nun in der durch das Landesmediengesetz verankerten Vergabe von Lokallizenzen einen Fehler. Der stellvertretende LfK-Vorsitzende Klaus Haischer erklärte, heute würde man „nur noch für Regionalsender plädieren“. Um die wirtschaftlich gebeutelten Kleinstsender zumindest von den Sendegebühren der Post zu befreien, werden diese seit Januar von der LfK selbst übernommen - bezahlt über den „Kabelgroschen“.

Die Privatfunker sehen sich nach Sanierungskonzepten um, haben aber zuerst mal in den Studios kräftig rationalisiert. Die Sendungen werden mit weniger Personal gefahren, das meist katastrophal schlecht bezahlt wird - denn Tarifverträge für den Privatfunk gibt es bisher nicht.

Die meisten Lokalradios setzen zudem immer mehr auf fremdproduzierte Mantelprogramme und senden selbst nur noch in lokalen „Fenstern“. Eigenständige Programme seien inzwischen die Ausnahme, so der LfK-Bericht. Als die Gewinner dieser aus wirtschaftlichen Nöten heraus entstandenen Konzentrationsprozesse sieht die IG Medien neben den Zeitungsverlegern, von denen einige gemeinsam den Ulmer Kettensender „Radio7“ betreiben, die Verlage Holtzbrink und Burda. Mit Burda drohe sogar die Bildung einer landesweiten Privatfunkkette, die nach dem Landesmediengesetz eigentlich ausgeschlossen werden sollte, erklärte Landesvorsitzender Werner Pfennig.

Inzwischen hat das Nachdenken über die Zukunft des Privatfunks begonnen. „Die propagierte Vielfalt bricht Zug um Zug in sich zusammen, solange die Herren mit den schwarzen Köfferchen unterwegs sind, um die kleinen Radios zu sanieren“, sagt der medienpolitische Sprecher der SPD, Bernd Kielburger. Auf einer Diskussionsveranstaltung von „Radio Dreyeckland“ letzte Woche in Freiburg waren sich die Medienpolitiker der Landtagsfraktionen weitgehend einig, daß mit einer Sanierung „auf kaltem Wege“ niemandem gedient sei. Die Vorschläge zur Vermeidung weiterer Konzentrationsprozesse und zur Verbesserung der Rahmenbedingungen reichen von einem neuen Frequenzplan und einer anderen Lizenzierungspraxis bis hin zu Beschränkungen bei Mantellieferungen oder der Stärkung der vorgeschriebenen Programmbeiräte. Bei der LfK denkt man auch an einen Ausgleichsfonds zwischen finanzstarken und strukturschwachen Radios. Unterstützt von den Grünen, fordert nun Radio Dreyeckland eine Chance für die gemeinnützigen Radios: Die noch nicht vergebene Rumpfkette, die immerhin 70 Prozent des Landes abdeckt, soll nur an nichtkommerzielle Initiativen vergeben werden und ohne Gebühren senden dürfen. Die LfK habe neun Millionen DM übrig, meint Geschäftsführerin Traudel Gün nel, damit ließen sich 36 nicht kommerzielle Radios finanzie ren.