Liebeswerben um die SPD

■ PdS stand zwischen Schock und Euphorie / Politisches Ziel bleibt jetzt, eine Zweidrittelmehrheit für den Anschluß zu verhindern / Modrow von Ergebnis beflügelt

Berlin (taz) - Als die ersten Trendmeldungen eintrudelten, schwankte die Stimmung der größtenteils jungen und sehr jungen Besucher der „Partei des Demokratischen Sozialismus“ zwischen Schock und Euphorie. „Bananen und Coca-Cola haben gewonnen“, „Ein bißchen mehr Rückgrat hatte ich mir von unserer Bevölkerung doch versprochen“, waren erste Stellungnahmen aus einem Publikum, das sich zwar in den alten Räumlichkeiten des riesigen ZK-Gebäudes aufhielt, jedoch nichts mehr mit der alten Partei zu tun hat. Und Jubel brandete auf, als die Zahlen für die eigene Partei bekanntgegeben wurden. Das neue Wir-Gefühl, angeheizt durch einen gut aufgelegten, witzigen Gregor Gysi, dem der Erfolg sichtlich guttat, traf mit seinem Statement „Vor fünf Wochen waren wir noch auf Null, heute sind wir auf über 15 Prozent“ für alle den Nagel auf den Kopf. Und als dann die Spitzenergebnisse aus Berlin bekannt wurden, immerhin ist die PdS mit 35,5 Prozent in Berlin-Mitte die „stärkste der Parteien“, stand der Saal Kopf. „Berlin bleibt rot“, der trutzige Spruch wurde zum Balsam auf die Seelen derer, die vom Rechtdrall der Republik andererseits betroffen waren. Sichtlich erleichtert war dagegen Hans Modrow, dessen etwas verknittertes, unter dem Eindruck der Ereignisse der letzten Monate zur Maske erstarrtes Gesicht sich aufzuhellen begann. Die neue Rolle eines Oppositionsführers in der Volkskammer, die eines Politikers, der mit staatspolitischem Augenmaß und gestärkt von der neuen Solidarität der eigenen Partei den Zuspruch im Lande erhöhen will, ist an diesem Abend von ihm angenommen worden. War der Weg, der vom wesensverwandten Dresdener Oberbürgermeister Berghofer begangen wurde, doch nicht der Königsweg gewesen? Noch an diesem Abend war die neue politische Konstellation zu bedenken. Den Ausverkauf der DDR, den kalten Anschluß zu verhindern bleibt die selbstgestellte Aufgabe der Partei. Und so richtete sich schon früh am Abend das Augenmerk auf die SPD. Hoffnungen auf ein Zusammenrücken der Parteien wurde laut. Die Zweidrittelmehrheit zu verhindern sei das Gebot der Stunde. Ob da die SPD mitspielen wird? „Wir werden da zusammengehen, wo es erforderlich ist, um rechte Träume nicht wahr werden zu lassen“, sagte der nachdenklich gewordene Gysi. „Verfassungsänderungen zum Nachteil der DDR“ müßten so schwer wie möglich gemacht werden. Ob die Bonner SPD der Einheitsfrontumarmung aus dem ZK-Gebäude erliegen wird, muß auch für Gysi ein Fragezeichen bleiben. Das Angebot aber steht, ein neues Deutschland zu bauen, bei dem „mehr herauskommt, als heute die DDR und die Bundesrepublik sind“.

Erich Rathfelder