Rückfahrkarte für ÜbersiedlerInnen

■ Seit gestern bittet Infoblatt der Sozialbehörde die Newcomer aus der DDR, zurückzukehren

Wer als NewcomerIn aus der DDR bei Notunterkünften anklopft und um eine Bettstatt bittet, für die liegt seit gestern ein neues Infoblatt bereit. Darin steht: „Wir bitten Sie, in die DDR zurückzukehren.“ Für den Fall, daß die NewcomerIn kein Geld hat, um die Rückfahrt zu bezahlen, ist vorgesorgt: Das Sozialamt kommt für die Rückfahrkarte Richtung Osten auf.

Seit dem 20. Februar herrscht in Bremen „Aufnahmestopp“. Denn die tatsächliche Aufnahmequote hatte in Bremen mit 1,8

Prozent weit über der vorgeschriebenen von 1,2 Prozent gelegen, und die Sozialbehörde war es leid, ÜbersiedlerInnen in Turnhallen einzuquartieren. Die Folge: Bremen wurden nur noch wenig Aus- und ÜbersiedlerInnen zugewiesen, „überwiegend Bindungsfälle“, erläutert der zuständige Referent der Sozialbehörde, Erhard Heintze. Unter „Bindungsfällen“ versteht die Behörde Menschen, die bereits Familienmitglieder und eine feste Adresse in der BRD haben. Letzte Woche hatte es 113 „Zuweisun

gen“ gegeben, darunter waren nur 11, die ein Notquartier brauchten; der Rest: „Bindungsfälle“.

Am Montag, einen Tag nach der DDR-Wahl, war der Bremer Senat noch einen Schritt weitergegangen und hatte beschlossen, das „Notaufnahmeverfahren“ für ÜbersiedlerInnen sofort und ganz zu stoppen. Gestern beschloß die Bundesregierung jedoch, das „Notaufnahmeverfahren“ erst zum 1. Juli abzuschaffen. Der Bremer Regierungschef Klaus Wedemeier kritisierte gegenüber

'dpa‘: „Jetzt ist damit zu rechnen, daß sich bis zu diesem Zeitpunkt der Zustrom der Übersiedler noch erhöhen wird.“

Gestern fand das abweisende Bremer Info-Blatt noch keine AbnehmerInnen. Ganze zwei DDR-BürgerInnen hatten am Übergangswohnheim in Lesum angeklopft, beide unproblematische „Bindungsfälle“. - „Wir sind selbst ganz gespannt, wie sich die Lage entwickelt“, erklärte die Geschäftsführerin des Arbeiter-Samariter-Bundes, Almuth Stoess. Sie werde Neuankömmlinge an Mitarbeiter des Sozialressorts weiterschicken und niemandem die Rückkehr nahelegen: „Ich finde das noch zu unklar formuliert, wie im Einzelfall verfahren werden soll.“

Kritisch dürfte es werden, bei den „Fällen“, wo Familienväter vorgefahren sind, um Arbeit und Wohnung zu suchen, aber noch in Bremer Turnhallen wohnen und wo jetzt Frauen und Kinder nachreisen. Je nach dem, ob die Familie in der DDR noch zurück in eine Wohnung kann, so Referent Erhard Heintze, wird entschieden „ob wir die ganze Familie bitten, zurückzureisen“.

Ansonsten können die ÜbersiedlerInnen, die derzeit noch in Bremer Übergangswohnheimen leben, aufatmen. Sie dürfen solange darin wohnen, bis es ihnen eines Tages doch noch gelingt, in Wohnungen und Wohncontainer - (Behördendeutsch:) „abzufließen“.

Barbara Debus