„Empört, daß unter Rot-Grün so etwas möglich ist“

Interview mit Frauensenatorin Anne Klein zum Polizeieinsatz gegen Teilnehmerinnen der Demonstration anläßlich des internationalen Frauentages am 8.März  ■ I N T E R V I E W

Zu einem brutalen Polizeieinsatz mit mehreren Verletzten kam es während der Demonstration von mehreren tausend Frauen am 8.März, dem internationalen Frauentag. Von sexistischen Übergriffen durch Polizeibeamte berichteten gestern auch Teilnehmerinnen einer Knastdemo vor der JVA Moabit. In Sachen 8.März gab es ein Gespräch zwischen Senatorin Anne Klein und Polizeipräsident Schertz. Der Polizeieinsatz soll nun auch im Innen-und Frauenausschuß zur Sprache kommen.

taz: Was ist bei Ihrem Gespräch mit Polizeipräsident Schertz herausgekommen?

Anne Klein: Ich habe mir das en detail schildern lassen. Das Ganze ist mittlerweile ein riesiger Vorgang, in dem der ganze Ablauf der Demonstration geschildert war. Und das war eine ganz friedlich verlaufende Demonstration - bis dann die Polizei in der Höhe Motzstraße feststellte, daß Farbeier geschmissen wurden, wobei angeblich fünf Objekte beschädigt worden sind. Das haben wir dann selbst sehr sorgfältig geprüft. Die eigenen Recherchen haben ergeben, daß außer einigen Farbspritzern an einer Hauswand und geringen Farbflecken an der Außenwand eines türkischen Reisebüros nichts passiert ist. Laut Polizeibericht sollen sich die Beschädigungen jedoch just hier so drastisch erhöht haben, daß man sich zum Einsatz gezwungen gesehen hätte. Durch den Einsatzleiter wurde dann ein Spalier in Höhe des sogenannten autonomen Blockes angeordnet. Da wurden uns Fotos gezeigt von Frauen, die sich Palästinensertücher um den Kopf gewickelt hatten. Allerdings beweisen die Fotos eben auch, daß da heftig fotografiert worden ist.

Es gab also durchaus Anlaß, sich zu vermummen...

Am 8.März kann man davon ausgehen, daß sich so manche Frau überlegt, ob sie sich dort von Männern fotographieren läßt. Die Bedrohungen gegen diese Demonstration waren ja immer schon ernst zu nehmen. Diese Demo war und ist Ausdruck des Kampfes gegen die Unterdrückung von Frauen durch Männergewalt. Wenn Frauen sich öffentlich auf der Straße dagegen äußern, bedeutet das immer auch, daß die Gegengewalt der Männer gefürchtet wird. Aber es ist doppelt schlimm, gegen Männergewalt auf die Straße zu gehen und dabei Opfer von Polizeigewalt zu werden. Der Polizeiangriff führte zu 23 Festnahmen wegen Vermummung und Widerstand - nicht ein einziges Ermittlungsverfahren läuft wegen Sachbeschädigung. Kurz und gut - ein solcher Polizeieinsatz erscheint mir am internationalen Frauentag maßlos unverhältnismäßig.

Hat Herr Schertz in dem Gespräch die Absicht geäußert, sich bei den Frauen zu entschuldigen?

Nein, er hat lediglich seine Position vertreten, daß die Beamten nach dem Legalitätsprinzip zu diesem Einsatz verpflichtet waren. Nach dem im Juni letzten Jahres eingeführten Vermummungsverbot kann er das auch.

Ist auf der letzten Senatssitzung darüber gesprochen worden?

Überhaupt nicht. Am Rande der Senatssitzung haben die Justisenatorin Limbach und ich darüber gesprochen. Herr Pätzold hat sich bisher nicht dazu geäußert, obwohl er darum gebeten worden ist. Ich bin ziemlich empört, daß unter einem rot-grünen Senat so etwas möglich ist.

Haben sich die Senatorinnen in dieser Sache zusammengesetzt?

Nein. Ich werde das beim nächsten Hexenfrühstück vortragen. Ich hoffe aber, daß es heute in einer aktuellen Viertelstunde im Innenausschuß zur Sprache kommt und der Polizeipräsident auch der Öffentlichkeit erklären soll, wie es dazu kommen konnte. Es kann nicht angehen, daß sämtliche Beschwerden jetzt ausschließlich an die Frauensenatorin gehen, die relativ hilflos dasteht. Ich kann nur wiederholen, daß ich diesen Einsatz unverhältnismäßig finde.

Was wollen Sie tun, wenn es zu Prozessen gegen die festgenommenen Frauen kommt?

Ich sage schon jetzt, daß ich dafür bin, eventuelle Verfahren einzustellen, und ich habe mich dem Polizeipräsidenten gegenüber auch entsprechend geäußert.

Interview: Andrea Böhm