Der Fake als subversive Aktion

■ Dies Buch ist eine Fälschung: eine Dokumentation von Peter Huth und Ernst Volland

Die Vernissage war ein voller Erfolg: die Journalisten, das Publikum und der Kultur-Senator zeigten sich begeistert von den als „Frische Malerei“ angekündigten Werken des jungen Malers Blaise Vincent. An den hohen Preisen der Bilder (zwischen 4.000 und 12.000 Mark) nahm niemand Anstoß, schließlich hat der frische Franzose schon in New York ausgestellt, die Berliner Nationalgalerie zeigte sich hocherfreut über ein vom Künstler gestiftetes Werk. Ein regelrechter Rummel entsteht um die „Frische Malerei“, namhafte Galerien reißen sich um Anschlußausstellungen, von Berlin aus erregt Blaise Vincent internationales Aufsehen bis die Initiatoren den Fake platzen lassen: Die Bilder hatte der Berliner Karikaturist und Künstler Ernst Volland in wenigen Stunden hingeschmiert, Visitenkarten und eine Biographie erfunden, und schon hatte der Kunstmarkt einen neuen Star.

Dies ist eine der Aktionen, die Peter Huth und Ernst Volland in Dies Buch ist eine Fälschung dokumentieren, einem großformatigen, sehr schönen Band, der in der Vorbemerkung als „Kunstbuch“ ausgegeben wird, doch mit schöner Kunst wenig zu tun hat. Die Fälschungen und Fake -Aktionen, die hier auf über 300 Seiten vorgestellt werden, sind zwar künstliche Produkte, aber keine Kunst im herkömmlichen Sinne, es sind direkte Eingriffe in die Wirklichkeit: Behördenschreiben, Wurfsendungen, Plakate, Aufkleber, Interviews, Aktionen. Es gibt kaum ein Genre und Medium, das vor Fälschungen und Täuschungsmanövern sicher wäre. Ob nun der Innensenator Lummer in einem Schreiben dazu auffordert, Geschenke für Asylsuchende in den Kirchen abzuliefern, die 'Berliner Morgenpost‘ ohne Recherche die (nie gehaltene) Rede eines Alternativ-Politikers abdruckt, die ihr ins demagogische Konzept paßt, oder ob servile Bürger den per Wurfsendung geforderten Atomgroschen gleich persönlich bei den E-Werken abliefern - stets, so die Herausgeber, bemühen sich die Fälschungen „nach Kräften, den Staub aufzuwirbeln, den die gewohnte Routine auf unserer Wahrnehmung der Wirklichkeit abgesetzt hat... Ein Fake ist die pure, selbstlose Fälschung, die besser ist als das Original.“ Und er wird deshalb, wie die abgedruckten Zeitungsberichte und Behördenschreiben zeigen, von den Original-Künstlern in den Ämtern und Ministerien auch gnadenlos verfolgt.

Für die Faker bedeutet das, tunlichst im Hintergrund zu bleiben - dieses Buch setzt ihnen und ihrer scharfen, witzigen und oft erfolgreichen Aktionsform ein Podest. Für politische Aktivisten, die nicht mehr bereit sind, im King -Kong-Spiel „Demonstration“ ihren behelmten Kopf hinzuhalten, kann dieser Fälschungs-Prachtband ein äußerst nützlicher Leitfaden sein - der Fake ist das radikalste Mittel der Aufklärung: er zwingt zum Selberdenken.

mbr

Peter Huth, Ernst Volland: Dies Buch ist eine Fälschung, 320 Seiten,

Verlag Zweitausendeins