Koalitionsspielereien

Die SPD-West macht Wahlkampf mit der Oppositionsrolle der Schwesterpartei im Osten  ■ K O M E N T A R E

Die Zeit der Bitterkeit über die verlorene Wahl währte bei den Sozialdemokraten in Ost und West nur kurz. Schnell haben sie die Enttäuschung weggeschoben und machen sich jetzt zum starken Eugen bei der Regierungsbildung. Ibrahim Böhme wurde in Bonn zur Räson gebracht. Große Koalition - nein, danke, und wenn, nur ohne den Bayern-Ableger aus Leipzig, die DSU. Man lehnt sich zurück im Bewußtsein, daß Kohl und de Maiziere das Land nicht mit knappen Mehrheiten führen und die „Einheitssuppe“ nicht alleine löffeln wollen.

Aus Bonner Sicht spricht der Wahlpoker dafür, die SPD-Ost auf die Oppositionsbank zu setzen. Der Kanzlerkandidat Lafontaine braucht Wahlkampfhilfe. Auf Kohl einzudreschen, wenn der gemeinsam mit einer SPD/CDU-Regierung die DDR aufbaut, da müßte der Saarländer zum Wendehals-Chamäleon werden. Wieviel schöner wäre es, die Doppelbesetzung Kohl und - möglicherweise - de Maiziere gegenüber zu haben. Zumindest bis zum nächsten Wahltag.

Die Hoffnung Oskar Lafontaines, die Folgen der Währungsunion unter einer CDU-Regierung würden die DDR -Wähler in Scharen in die Arme der SPD treiben, wird nicht aufgehen. Die Oppositionsrolle mag für Gruppen wie das Bündnis 90 in der DDR oder notorische Nörgler wie manche Fundis unter den bundesdeutschen Grünen ein politischer Whirlpool sein - für die SPD-Ost wäre sie eine höchstgefährliche Belastung. Als Fraktion in der Volkskammer müßte sie sich nicht nur gegen die Regierungsparteien profilieren, sie müßte auch noch den Umarmungsversuchen der PDS standhalten. Die Gefahr, daß sich die Sozialdemokraten in der Auseinandersetzung mit den gewendeten Stalinisten verschleißen, ist groß. Es ist um so viel einfacher und liegt emotional und historisch näher, als sich gegen die Christdemokraten zu profilieren.

Die SPD in der DDR, ist ein brüchiges Gebilde. In manchen Kreisen existiert kaum eine Struktur oder ein Apparat. Was bleibt, wenn die Wahlkampfmanager ihre Plakate eingepackt haben? Kraft, Überzeugtheit und Mut erfordert die Oppositionsrolle - und all das haben die wenigsten Mitglieder, die bis zum 9. November zum großen Teil auch Mitläufer waren, gelernt. Ganz zu schweigen von denen, die in die SPD eingetreten sind, weil sie glaubten, auf der Seite der Sieger zu sein. Die Bonner Sandkastenstrategen sollten dem West-Wahlkampf-geplagten Volk nicht auch noch die Un-Kultur ihrer Koalitionspolitik aufdrücken - es könnte sich als unberechenbar erweisen.

Brigitte Fehrle