Grüne Liste überwacht?

Fraktionsbüro im Rathaus Erlangen: Alle Ferngespräche werden mit Zielnummern gespeichert - trotz gegenteiliger Behauptung  ■  Von Bernd Siegler

Nürnberg (taz) - Alle Daten von Ferngesprächen, die aus dem Fraktionsbüro der Grünen Liste im Rathaus der Stadt Erlangen geführt werden, werden gespeichert. Und dies, obwohl bei der Neuinstallation der städtischen Telefonanlage das Gegenteil versichert wurde. „Unsere Telefongespräche gehen niemanden etwas an“, beschwert sich der ehemalige Stadtrat Johannes Pöhlmann über diese Praxis. Aufgrund der Konzeption der Anlage will er nicht ausschließen, daß Ge spräche auch mitgehört werden können.

Im Januar 1985 hat die Stadt Erlangen die Telefonanlage „EMS 600“ samt „Gebührencomputer 301“ aus dem Hause Siemens für 23.100 DM monatlich gemietet. Die Anlage sollte, so schwärmte Erlangens Oberbürgermeister Hahlweg (SPD), „einen reibungsloseren, schnelleren und direkteren Fernsprechverkehr der Bürgerschaft zur Stadtverwaltung fördern“. Doch die Neuerung - ein Großteil der Nebenstellen wurde für das gesamte Bundesgebiet freigeschaltet - hat zur Folge, daß zur Erstellung der Gebührenrechnungen bei Dienstgesprächen sämtliche Daten inklusive vollständiger Zielnummer im Gebührencomputer aufgezeichnet und auf Anfrage ausgedruckt werden. Schon damals fragte die Grüne Liste an, ob an eine derartige Erfassung auch bei Gesprächen aus den Fraktionsbüros im Rathaus ge dacht sei. Die Antwort war negativ.

Nachdem Personalreferent Schwarzenbach (SPD) am 31. Oktober 1989 die Höhe der Telefongebühren für die Grüne Liste moniert hatte, erhielt GL-Stadträtin Säckel einen entsprechenden Computerausdruck für die Monate Dezember und Januar. „Die Kontrolleure der Verwaltung werden von der Verwaltung selbst kontrolliert“, kommentiert Pöhlmann das Vorgehen der Stadt und verweist auf die Problematik, daß Apparate der Fraktionen denen von städtischen Angestellten gleichgestellt sind. Fraktionsangestellte fallen zudem nicht unter die „Dienstvereinbarung über die Gesprächsdatenerfassung“, die der Gesamtpersonalrat zusammen mit der Verwaltung im November letzten Jahres ausgearbeitet hat.

Personalreferent Schwarzenbach ist sich der politischen Problematik der Nummernspeicherung bei den Fraktionen bewußt und will jetzt Abhilfe schaffen. Der Stadtrat soll demnach die Geschäftsführungszuschüsse der Fraktionen erhöhen, so daß diese ihre Telefongebühren selbst zahlen können. Da die Apparate nicht aus dem System herausgenommen werden können, soll zumindest ein Ausdruck der Daten verhindert werden. Daß ein Mithören der Gespräche in der Telefonzentrale technisch möglich ist, will Schwarzenbach nicht ausschließen, er dementiert jedoch, daß davon Gebrauch gemacht wird.

Durch die Vorgehensweise in Erlangen wurden auch die Nürnberger Grünen auf die Problematik aufmerksam. Auf Anfrage erfuhren sie, daß von allen Ferngesprächen, die von dem städtischen Apparat ihres Fraktionsbüros im Rathaus aus geführt werden, die Zielnummern gespeichert werden. Daß es auch anders geht, beweist die Praxis im Erlanger Kulturzentrum „E-Werk“. Dort werden die letzten drei Ziffern der Ferngespräch-Zielnummern nicht mit abgespeichert, so daß es unmöglich ist, sie später zu entschlüsseln.