Prost Neujahr - wir schreiben jetzt 2602

■ Interview mit Berliner Kurden am Neujahrstag nach dem traditionellen Newroz-Fest / In Berlin darf die Silvesterfete steigen - zu Hause in vielen Teilen Kurdistans ist sie immer noch strengstens verboten / Wo war der Regierende Momper?

In der Nacht zum Mittwoch feierte die kurdische Gemeinde in Spandau ihr Neujahrsfest Newroz. Es war nur eine von vielen Feiern in Berlin, wo insgesamt 50.000 der weltweit etwa 30 Millionen Kurden wohnen. Die taz sprach mit den drei Kurden Aso (aus dem türkisch besetzten Teil), Zibar (aus dem irakisch besetzten Teil) und Schabu (aus dem iranisch besetzten Teil).

taz: Prost Neujahr, welches Jahr haben wird denn jetzt?

Aso: Zweitausendsechshundertundzwei.

Seid ihr von eurer Silvesterfete her noch verkatert?

Aso: Ja, wir haben bis vier Uhr gefeiert. Erst in der Luthergemeinde und danach in der Kneipe.

Trinkt ihr dabei auch Alkohol?

Aso (lacht): Nicht nur beim Newroz, durchaus auch öfter, das ist nicht verboten.

Wieviel Leute waren gestern da?

Aso: Es waren zweihundert bis dreihundert Leute, zwei Musiker und zwei Tanzgruppen anwesend. Es war ein richtiges Volksfest. Es waren auch viele Deutsche da, die mit getanzt und gesungen haben. Das war die multikulturelle Gesellschaft im Festsaal.

Wenn Du an Deine Heimat denkst, wie ist das da gefeiert worden?

Zibar: Ich denke daran, daß Newroz dort in Kurdistan nicht gefeiert werden kann. Deshalb hat das Fest nicht nur eine traditionelle, son dern auch eine politische Seite, das ein Tag der Befreiung, der Unabhängigkeit von der Unterdrückung. Die zweite Bedeutung ist die Begrüßung des Frühlings. Man macht sich schön für diesen Tag, bereitet sich richtig darauf vor, macht auch ein schönes Essen. Unter freiem Himmel werden Freudenfeuer angezündet.

In Kurdistan kann das Feiern lebensgefährlich sein...

Zibar: Wenn man im türkisch besetzten Teil Kurdistans Newroz feiern will, egal auf welche Weise, dann muß man damit rechnen, bestraft zu werden. Dann landest du im Gefängnis oder Schlimmeres... das kann lebensgefährlich sein.

Aso: Am Silvesterabend wird ja nicht nur getanzt, da werden ja auch Freiheitslieder gesungen. Außerdem trägt man am Neujahrstag schöne Kleider in den kurdischen Farben rot, grün, weiß und gelb. Da muß man vorsichtig sein. Aber viele Familien versuchen trotz des Verbots nicht im Haus, sondern auch draußen zu feiern. Deshalb passieren jedes Jahr auch schreckliche Sachen.

Hat es auch in diesem Jahr Tote gegeben?

Aso: Ja. Wenn das türkische Militär etwas sieht, wird einfach geschossen.

Ostkurdistan liegt heute auf iranischem Gebiet, wie sieht es da aus?

Schabu: Bei uns ist Newroz nicht verboten, weil auch die Perser Newroz feiern. Es wird trotz der Verbote der Islamischen Republik gefeiert. Bei uns ist das Wichtigste das Feuerfest am letzten Mittwoch des Jahres. Die Kinder ziehen von Tür zu Tür und holen sich Süßigkeiten.

Habt Ihr den Regierenden Momper mal eingeladen?

Aso: Nein, weil wir hundertprozentig sicher waren, daß er nicht kommen würde.

Zibar: Rot-grün beschägtigt sich zu sehr mit der deutsch -deutschen Vereinigung. In den Zeitungen liest du nichts anderes mehr. Nur DDR, nur Vereinigung. Natürlich habe ich Verständnis für die Vereinigungswünsche, weil meine Heimat Kurdistan selbst viergeteilt ist. Aber in dieser Deutschland -Euphorie kann Momper gar nicht zu uns kommen.

Interview: kotte/tom