Probleme mit dem Geschlecht

■ „Endlich als Frau leben - Protokoll einer Geschlechtsanpassung“ von Felix Kuballa, 21.50 Uhr, ARD

Die 22jährige Christine vor dem Spiegel beim Schminken, der 22jährige Christopher vor dem Spiegel beim Rasieren - zwei Rollen, aber immer dieselbe Person. Christine K. ist biologisch eindeutig ein Mann, fühlt sich jedoch ebenso eindeutig als Frau. Sie gehört zu den etwa 3.000 Transsexuellen in der Bundesrepublik, die aufgrund einer undurchschaubaren Laune der Natur mit dem falschen Geschlecht leben müssen. „Vom Äußeren her bin ich ein Mann“, beschreibt Christine denn auch ihr Schicksal, „aber vom Inneren her eine Frau!“

Christine K. hat sich zu einer Geschlechtsanpasssung, zur Operation entschlossen. WDR-Autor Felix Kuballa hat sie über 15 Monate mit der Kamera beobachtet und wichtige Stationen dieses Weges protokolliert. Vor eine operative Geschlechtsanpassung ist ein „Alltagstest“ gesetzt: Das Gesetz sieht vor, daß Christine mindestens ein Jahr als Frau zu leben hat, sich einer frauenärztlichen und psychologischen Behandlung unterziehen muß. Ständige Gaben von Östrogen verändern den Körper, verändern die Stimme ihr Leben lang wird Christine auf diese Spritzen angewiesen sein.

Christine bewegt sich als Frau immer selbstverständlicher, hat jetzt auch einen Freund, der sie unterstützt, sie akzeptiert. Offen reden beide über die Probleme ihres Zusammenseins. Schließlich sind sich die Fachleute einig: Die Krankenkasse übernimmt die Kosten für die ebenso teure wie riskante Operation.

Nein, Angst vor diesem Eingriff hat sie nicht, gibt Christine zu Protokoll, sie hat ja die gesamte letzte Zeit auf diesen Moment hingelebt. „Die Operation ist ja für mich wie eine zweite Geburt!“ Sechs Stunden lang dauert der Eingriff, der fast ohne Komplikationen verläuft. Fünf Wochen danach wird Christine „überglücklich“ entlassen. Ihre Ausweise werden geändert: Nicht mehr Christopher steht jetzt in ihrem Personalausweis, sondern endlich Christine.

Neue Probleme wird es geben - auch das macht der Film deutlich. Die Beziehung zu ihrem Freund bleibt schwierig für Christine und ihn selbst völlig überraschend. Sie hatten beide zu sehr auf die Operation gehofft, sie als Lösung aller Schwierigkeiten verstanden. Die Erkenntnis, daß Probleme bleiben, daß sie jetzt gemeinsam lernen müssen, miteinander umzugehen, ist jetzt um so härter.

Gelegentlich geraten den Eltern, den Mitmenschen und auch dem Kommentator die Personalpronomen durcheinander. Der Vater spricht noch heute mehr von seinem „Sohn“ und nennt Christine „er“. Lediglich der Freund und die Mutter sind sich in ihren Bezeichnungen sicher. „Ich habe eine kleinen Jungen verloren“, sagt die Mutter, „aber eine liebe Tochter gewonnen.“

Dieses Verständnis, diese Toleranz ist ungewöhnlich. Transsexuelle haben unter der Diskriminierung durch die Gesellschaft zu leiden. Angst habe sie, so erzählt Christine zu Beginn des Film, vor Polizeikontrollen, vor Grenzübertritten, vor jeder Situation, in der sie ihren Ausweis vorzeigen muß und der Widerspruch zwischen der äußeren Erscheinung und den Angaben in den offiziellen Dokumenten augenscheinlich wird.

Besonders schlimm die Situation bei der Arbeitssuche: Unterlagen wie Zeugnisse oder Lohnsteuerkarte legen die Lage von Transsexuellen stets offen. Die Frage ist nur allzu häufig die Ablehnung einer Bewerbung oder das Getuschel der Kolleginnen und Kollegen.

Um so mutiger ihr Schritt, die operative Geschlechtsanpassung filmisch protokollieren zu lassen. Sie versteht das als einen Beitrag dafür, die Situation der Transsexuellen deutlich zu machen, für Verständnis zu werben, gegen die Diskriminierung zu arbeiten.

Manfred Kellner