Ich sehe was, was du nicht siehst

■ „Black Rainbow“ - die Geschichte einer medialen Telefonistin

Regisseur Mike Hodges scheint ein Faible für religiöse Themen zu haben. Schon in seinem vorletzten Film Auf den Schwingen des Todes durften Mickey Rourke als IRA-Killer und Bob Hoskins als katholischer Priester ausgiebig über die christliche Heilsbotschaft philosophieren. In seinem neusten Werk Black Rainbow, der uns als „spiritistischer Thriller“ verkauft wird, geht er noch einen Schritt weiter direkt über den Jordan. Es geht um die armen Seelen am anderen Ufer und um die existentielle Frage, wie das Wetter drüben ist.

Martha Travis (Rosanna Arquette) ist eine mediale Telefonistin. Sie und ihr versoffener Vater Walter (Jason Robards) touren mit ihrer Botschaft-aus-dem-Jenseits-Show durch die Gemeindehäuser des amerikanischen Südosten, der wegen seiner tiefgläubigen Bewohner auch der „Bibelgürtel“ genannt wird. Bei einem ihrer Auftritte passiert Martha ein kleines Mißgeschick. Nachdem sie ein paar neugierige Hinterbliebene beruhigt hat (im Paradies scheint die Sonne, Blumen blühen, und der tote Papa amüsiert sich prächtig) hat sie plötzlich Kontakt zu einem Menschen, der noch gar nicht tot ist. Aber das ändert sich noch am gleichen Abend, als nämlich ein gedungener Killer eben jenen Menschen mittels einer Schrotflinte in den Zustand versetzt, in dem Martha ihn schon gesehen hat. Ein Medium hat immer recht!

Der Journalist Gary Wallace (Tom Hulce) betritt die Szene. Er will herausfinden, wie Marthas Ich-sehe-was-was-Du-nicht -siehst funktioniert. Bei ihrer nächsten Show stellt die tolle Martha gleich ein halbes Dutzend Verbindungen zu noch quicklebendigen Toten her. Prompt passiert am nächsten Tag im nahen Atomkraftwerk ein Unfall, der Marthas Weissagungen bestätigt. Nun ist natürlich der Teufel los. Die Einwohner beschimpfen Martha als Hexe, der Journalist steigt mit ihr ins Bett, und der geschäftstüchtige Vater, der eh mehr Interesse an Spirituosen als an Spiritismus hat, beschäftigt sich intensiv mit ein paar Flaschen Brandy. Und dann taucht auch der Killer wieder auf, um an Martha seinen Beruf auszuüben...

Wie man hört, hat Martin Scorsese die Hauptdarstellerin empfohlen: „Ihr könnt für diese Rolle keinen gewöhnlichen Charakter nehmen. Rosanna ist genau diese Figur, dieses ätherische Mädchen.“ Wenn er dabei an Rosanna Arquette als reizend neurotische Marcy in seinem Film Die Zeit nach Mitternacht dachte, hatte er recht mit seiner Empfehlung. Aber nichts davon ist in Black Rainbow zu sehen, Arquettes Spiel ist flach und langweilig. Auch Tom Hulce agiert lustlos. Wie schon in seinem oben erwähnten, vorletzten Film, gelang es Mike Hodges auch diesmal nicht, den Charakteren Leben einzuhauchen. Die Figuren wirken unecht, ihr Spiel verkrampft. Hodges geht jeglicher Sinn für Dramatik ab; das Finale wirkt theatralisch und völlig überzogen.

In Black Rainbow hat Hodges das Ganze zusätzlich mit einer übertriebenen Farbsymbolik zugekleistert: Martha trägt während ihrer Auftritte reines Weiß, ihre aufreizende Unterwäsche (spitzenbesetzter BH, Strapse usw.) ist pechschwarz. Der saufende Papa ist auch in Schwarz gekleidet, der junge Reporter aber wird vom leuchtenden Rot des Innenfutters seines grauen Parkas eingerahmt. Und dann immer dieses schreckliche Braun. Die Landschaft, die Häuser, die Zimmer, alles in den unterschiedlichsten dunklen Brauntönen. Ich mag die Farbe nicht.

Karl Wegmann

Mike Hodges: Black Rainbow, mit Rosanna Arquette, Tom Hulce, Jason Robards; USA 1989, 89 Min.