Die Welt rüstet ab - China stockt um 15% auf

In Peking wurde Haushaltsplan für 1990 vorgelegt: Armee wird für Massaker belohnt  ■  Aus Peking Boris Gregor

Die chinesische Staats- und Parteiführung hat dem Drängen der Militärs nachgegeben: Die Befreiungsarmee bekommt im nächsten Jahr mehr Geld. Ihr Etat wächst in diesem Jahr im Vergleich zum Vorjahr um 15,2 Prozent auf knapp 29 Milliarden Yuan (10,7 Milliarden Mark).

Dies sind rund neun Prozent des Gesamtetats, der Anteil der Armee ist damit etwas geringer als im Vorjahr. Finanzminister Wang Bingqian begründete gestern den Zuschlag für die 3,1 Millionen Soldaten, es sei notwendig, „die nationale Verteidigung“ zu verstärken und die hohe Inflationsrate auszugleichen. Dies dürfte allerdings nur die halbe Wahrheit sein. Die Finanzspritze ist auch als Belohnung für die Rolle der Armee bei der Niederschlagung der Demokratiebewegung im vorigen Frühling gedacht.

Fraglich ist allerdings, ob die vor dem Volkskongreß verkündete Summe dem wirklichen Budget der Befreiungsarmee entspricht. Denn der Staat schießt zum Beispiel noch für Forschungsabteilungen, den Ankauf von Rohstoffen, für Sozial - und Pensionskassen zu. Experten in Peking schätzen, daß der Gesamtbetrag, den die Armee zur Verfügung hat, doppelt so hoch ist wie der offiziell genannte. Unbekannt ist bisher auch der Etat der bewaffneten Polizei, die künftige Unruhen niederschlagen soll. Sie bekam jüngst moderne Ausrüstung und eine neue Führung - offenbar, weil die im vorigen Jahr nicht radikal genug vorgegangen ist.

Fest steht aber, daß die Armee, eine der zahlenmäßig stärksten der Welt, in den letzten Jahren nicht sonderlich günstig bei der Verteilung der Gelder weggekommen ist - mit der Folge, daß die Ausstattung zahlreicher Einheiten seit 20 Jahren überholt sind. Zuletzt wurde dies - zur Freude der Studenten - während des Pekinger Frühlings deutlich, als zahlreiche Armeelaster wegen Altersschwäche liegenblieben.

Viele Soldaten sind im Vergleich zu ihren westlichen Kollegen miserabel ausgerüstet: ihre Uniformen sind unzrureichend, nicht selten ziehen sie in zerschlissenen Turnschuhen statt in Stiefeln ins Manöver.

Um sich zu finanzieren, versuchten sich die Befreiungsarmisten in den letzten Jahren in der zivilen Produktion, stellten etwa Traktoren und Fahrräder her und mischten auch im internationalen Finanzgeshäft mit. Das Palace-Hotel, eine Edelherberge inmitten von Peking, soll zum Beispiel teilweise der Armee gehören.

Wenngleich die Erhöhung des Armeebudgets niedriger ausfiel, als mancher General erhofft hatte, so bleibt sie doch ungewöhnlich. Denn Finanzminister Wang klagte gestern vor dem Volkskongreß über das Defizit im Etat, das größer ausfiel als erwartet.

Pekings Budgetverwalter schob dies auf die „durch die Konterrevolution verursachten schweren Verluste“ in der Volkswirtschaft sowie auf erhöhte Ausgaben in Landwirtschaft, Bildung und Katastrophenhilfe. Zudem mußte der Staat Unternehmen finanziell stützen, die wegen der strengen Kreditpolitik in die roten Zahlen geraten waren. Wang: „Die Siutuation des Staatshaushaltes ist rau, das Defizit kann nicht schnell verringert werden.“

In diesem Jahr soll das Minus laut Plan nur geringfügig schrumpfen. Vor allem drücken die Genossen die Auslandsschulden in Höhe von rund 40 Milliarden Dollar, deren Rückzahlung in nächster Zukunft fällig wird.

Ein Drittel der Staatsausgaben von insgesamt 332,45 Milliarden Yuan, etwa 120 Milliarden Mark, wird für Subventionen verwendet, die vor allem den hochverschuldeten Staatsbetrieben zugute kommen sollen. Auch die Landwirtschaft wird mehr staatliche Unterstützung erhalten, um die wachsende Unzufriedenheit der ungefähr 800 Millionen Kleinbauern abzufedern.

Insgesamt 21, 48 Milliarden Yuan, etwa 7,6 Milliarden Mark, sollen dem Agrarbereich zugute kommen, und die wachsende Arbeitslosigkeit in diesem Sektior bremsen. Die Bildungsausgaben werden gegenüber dem Vorjahr um 9,8 Prozent auf 48,4 Milliarden Yuan steigen.