Zeichen der Schwäche

■ Die chinesischen Militärausgaben werden um mehr als 15 Prozent erhöht

Mit der Erhöhung seines Etats um mehr als 15 Prozent auf etwa 10,4 Milliarden DM erhält das chinesische Militär seine Belohnung für die „unsterblichen Dienste für die kommunistische Partei und das Volk“. Es waren diese Worte, die Ministerpräsident Li Peng anläßlich der Aufhebung des Kriegsrechts in Peking wählte, um die blutige Niederschlagung der Demokratiebewegung auf dem Tiananmen -Platz zu umschreiben. Nach dem Massaker vom 4. Juni 1989 hat die „Volksbefreiungsarmee“ Streicheleinheiten von Partei und Volkskongreß durchaus nötig. Ihr bis dahin hohes Ansehen hat sie wenigstens bei der städtischen Bevölkerung verloren. Die Moral der Truppe aufzumöbeln dürfte zumindest eines der Motive sein, trotz einer angespannten Wirtschaftslage einen weiteren Zuwachs der Staatsverschuldung zugunsten des Militärbudgets in Kauf zu nehmen.

Angesichts der Entwicklung in Osteuropa und der Sowjetunion fühlt sich Pekings stalinistische Partei und Staatsführung bedroht und isoliert. Der Virus der Demokratisierung ist inzwischen bis in die äußere Mongolei vorgedrungen. An den Grenzen der Volksrepublik, wo der größte Teil von Chinas rund drei Millionen Mann starken Truppen stationiert ist, leben nationale Minderheiten. Neben den Mongolen und Mandschuren im Norden sind das die Tibeter im Süden und islamische Turkvölker im Nordwesten. In Tibet herrschen seit einem Jahr Kriegsrecht und Ausnahmezustand, und immer wieder haben im vergangenen Jahr Chinas Moslems durch Demonstrationen auf sich aufmerksam gemacht. Vor dem Hintergrund anhaltender Unruhen im Süden der Sowjetunion kann die chinesische Führung nicht damit rechnen, daß der islamische Fundamentalismus an ihren Grenzen haltmacht.

In der Vorstellungswelt der vergreisten Spitzenkader Chinas, die in ihrer Mehrzahl als Soldaten im Bürgerkrieg gekämpft haben, dürften erhöhte Militärausgaben als ein Signal von Stärke und Entschlossenheit gelten. Gegen die ökonomische Vernunft beschlossen, zeigen sie indessen eher, daß in den Pekinger Führungsetagen die Angst umgeht. Die chinesischen Kommunisten rüsten zur Verteidigung nicht gegen Bedrohungen von außen, sondern gegen das eigene Volk, mit dessen Loyalität sie offenbar nicht mehr rechnen.

Harry Oberländer

Der Autor ist Journalist und lebt in Hongkong.