Spaltpilz frißt Hamburger Grüne

GAL in völliger Auflösung / Das neue „Grüne Forum Hamburg“ tritt bei den nächsten Bürgerschaftswahlen an / Ehemalige GAL-Frauen wollen unabhängigen Frauenverband gründen / Rätselraten: Geht Thea Bock zur SPD?  ■  Aus Hamburg Jürgen Oetting

Die Grün-Alternative Liste (GAL) Hamburg löst sich in rasender Geschwindigkeit in einzelne Bestandteile auf. Am Dienstag abend gründeten achtzig Personen eine neue politische Vereinigung mit dem Namen „Grünes Forum Hamburg“. Zugleich wurde angekündigt, daß diese neue politische Gruppe zu den nächsten Bürgerschaftswahlen gegen die GAL antreten wird. Zwei Frauen aus der noch existierenden GAL -Bürgerschaftsfraktion führen inzwischen Vorgespräche über die eventuelle Gründung eines „Unabhängigen Frauenverbandes Hamburg“, für den sie in Zukunft parlamentarisch tätig sein möchten. Gestern wurde außerdem gemeldet, daß die frühere ökologische Galionsfigur der GAL, Thea Bock, als SPD -Kandidatin für die Bundestagswahl aufgestellt werden soll. Die noch vor wenigen Tagen mit Spannung erwartete, für kommenden Sonntag angesetzte GAL-Mitgliederversammlung verliert angesichts dieser vielfältigen Sondierungen und Initiativen zunehmend an Bedeutung, so daß möglicherweise einziger Gegenstand der Debatte unter diesen Voraussetzungen nur noch das innerparteiliche Elend sein könnte.

Aus SPD-Kreisen war gestern zu erfahren, daß Hamburgs Bürgermeister Henning Voscherau seit längerem versucht, namhafte Grüne und Ex-Grüne für seine Partei zu gewinnen. Bevorzugtes Ziel seines Werbens sei die vor einem Jahr aus der GAL ausgetretene Thea Bock. Sie selbst dementierte die Meldungen über ihre angebliche SPD-Kandidatur gestern nicht. Auf taz-Anfrage erklärte Frau Bock: „Ich bin ins Gespräch gebracht worden und weiß nicht, von wem - ansonsten kein Kommentar.“

Das ehemalige realpolitische Landesvorstandsmitglied der GAL, Martin Schmidt, bedauerte gestern, daß Thea Bock „noch nicht zu uns gekommen ist“. Schmidt hält aber immer noch für möglich, daß Thea Bock sich dem neuen „Grünen Forum Hamburg“ anschließt. Schmidt ist einer der Initiatoren des „Grünen Forums“, das vorgestern abend im Stadtteil Altona gegründet wurde.

Die Gründungsversammlung wirkte über weite Strecken wie ein Tribunal gegen die GAL. In der Gründungserklärung heißt es: „Die GAL, in der viele von uns bis vor kurzem engagiert waren, war nie eine radikale ökologische Partei. Sie hat ihren eigenen Anspruch, die Hamburger Verhältnisse zu gestalten, nicht ernst genommen und sich in entscheidenden Momenten immer wieder auf bloße Systemopposition und Totalverweigerung zurückgezogen. Sie hat damit die Mehrheitsverhältnisse im Rathaus lediglich stabilisiert, statt sie aufzubrechen.“

In der einstimmig verabschiedeten Erklärung heißt es weiter: „Wir beziehen uns auf die Partei Die Grünen in der BRD und verstehen uns als deren originärer Teil in Hamburg.“ Im Mittelpunkt grüner Politik sollen an der Elbe künftig die Fragen des menschlichen Überlebens und nach der Gleichberechtigung von Mann und Frau stehen. Regierungsbeteiligung wird ausdrücklich angestrebt.

Die vier aus der GAL ausgetretenen Bürgerschaftsfrauen haben sich noch nicht dem „Grünen Forum Hamburg“ angeschlossen. Daß sie aus der GAL ausgetreten waren, ihre Mandate jedoch behielten, wurde von der Versammlung ohne Gegenstimme und bei nur sechs Enthaltungen offensichtlich gebilligt.

Zwei weitere Bürgerschaftsabgeordnete wollen weder im neuen „Grünen Forum Hamburg“ mitmachen noch in der „alten“ GAL. Sie denken vielmehr über die Gründung eines „Unabhängigen Frauenverbandes“ nach. Als Vertreterinnen dieser Organisation könnten sie gemeinsam mit den vier jetzt parteilosen Abgeordneten eine neue Bürgerschaftsfraktion bilden. Die alte jedenfalls, so erklärte Fraktionschefin Krista Sager, wird den März nicht überleben.