Birkel gewinnt Nudelprozeß

Im Kampf gegen das Hühnerkot-Image ging auch die zweite Runde an schwäbischen Nudelmulti  ■  Von Erwin Single

Stuttgart (taz) - Das Land Baden-Württemberg hat im Streit um die Schadenersatzansprüche des Nudelfabrikanten Klaus Birkel auch in zweiter Instanz verloren. Der erste Zivilsenat des Oberlandesgerichts wies gestern die Berufung des Landes gegen das Birkel-Urteil des Stuttgarter Landgerichts zurück. Das Land will nun prüfen, ob es vor dem Karlsruher Bundesgerichtshof in die Revision geht. Eine Entscheidung über die Höhe der Schadensansprüche - Birkel will 43 Millionen - wird vom Landgericht erst dann gefällt, wenn der Rechtsstreit endgültig entschieden ist.

Das Landgericht hatte im Mai letzten Jahres eine vom Regierungspräsidium Stuttgart im Sommer 1985 gegebene Verbraucherwarnung vor „mikrobiell verdorbenen“ Eiernudeln der Firma Birkel als einen „enteignungsgleichen Eingriff“ angesehen und Birkel einen grundsätzlichen Anspruch auf Schadenersatz zuerkannt. Das Gericht hatte einen Vergleich in Höhe von 8 Millionen DM vorgeschlagen, doch das Land hatte abgelehnt.

In der Urteilsbegründung bestätigte der OLG-Senat jetzt die Auffassung des Landgerichts. Die Beamten hätten bei ihrer Verbraucherwarnung die „Grundsätze der Verhältnismäßigkeit“ mißachtet und sich einer „fahrlässigen Amtspflichtverletzung“ schuldig gemacht. Die Firma Birkel hätte nicht in einem Atemzug mit Erzeugnissen genannt werden dürfen, die mit angebrüteten Eiern und Hühnerkot verdorben waren.

Bei fünf Birkel-Proben war damals ein erhöhter Milchsäuregehalt nachgewiesen worden, wie er bei der Verwendung von verdorbenem Flüssigei auftreten kann. Doch der Nudelhersteller beharrte darauf, lediglich Trockenei zu verarbeiten. Ob die Birkel-Nudeln verdorben oder einwandfrei gewesen seien, dies habe vom Gericht nicht entschieden werden müssen, so der Senatsvorsitzende Janßen. Der erhöhte Milchsäuregehalt könne jedenfalls auch andere Gründe haben als die Verwendung verdorbener Eier. Ausschlaggebend sei, daß die Nudeln in keinem Falle als „gesundheitsschädlich“ noch „besonders ekelerregend“ anzusehen seien.

Während sich Nudelfabrikant Klaus Birkel mit dem Urteil gegen die „Behördenwillkür“ zufrieden zeigte und die „Rehabilitation“ seiner Firma vorwärtsschreiten sieht, gab es bei den Behördenvertretern lange Gesichter. Regierungsvizepräsident Horst Rapp zeigte sich enttäuscht darüber, daß die Frage, inwieweit die Nudeln tatsächlich verdorben waren, überhaupt nicht geprüft wurde. Ministerpräsident Späth schloß einen Gang nach Karlsuhe nicht aus: Wenn der Verbraucherschutz durch das Urteil tangiert werde, bedürfe der Fall einer „grundsätzlichen Klärung“.