Stoltenbergs U-Boot sinkt tiefer

Ex-Staatssekretär bestätigt „mehrere Gespräche“ auf Leitungsebene über Blaupausen für Südafrika  ■  Aus Bonn Gerd Nowakowski

Der ehemalige Staatssekretär im Bundesfinanzministerium Günter Ober hat bestätigt, daß es auf Leitungsebene „mehrere Gespräche“ über die am U-Boot-Geschäft mit Südafrika beteiligten Firmen gegeben hat. Bei diesen Gesprächen sei es um die Bewertung der Ermittlungen gegen die am Export der Pläne beteiligten Firmen gegangen, sagte Obert gegenüber der taz. Obert bestätigte auch eine Gesprächsrunde im Sommer 87 über den jetzt von der taz veröffentlichten Geheimbericht. In diesem wurde die Amtsleitung vor der Einstellung des Verfahrens gewarnt und empfohlen, die Staatsanwaltschaft einzuschalten. Die Bezeichnung „Krisengespräch“ wollte Obert, der im Frühjahr letzten Jahres pensioniert wurde, für das Treffen nicht verwenden.

Obert dementierte nicht, daß Bundesminister Stoltenberg über die Besprechungen informiert wurde. Dazu werde er vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuß Stellung nehmen. Stoltenberg hatte nach der taz-Veröffentlichung immer betont, die Vermerke „hatten der Leitung des Bundesfinanzministeriums und damit auch dem Minister nicht vorgelegen“.

Stoltenberg hatte weiter vertreten, der brisante Vermerk sei bei der Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen die Firmen Howaldtswerke Deutsche Werft (HDW) und deren Konstruktionsbüro IKL lediglich auf untergeordneter Ebene „durch die zuständige Abteilung (...) bewertet“ worden. Dies ist um so bemerkenswerter, da Obert zugab, daß selbst ein erster Zwischenbericht zu den Ermittlungen Stol tenberg „zur Kenntnis vorgelegt“ wurde.

Obert - der bereits Anfang 1987 Zeuge vor dem Untersuchungsausschuß war - hatte erklärt, er habe den Minister beim ersten Gespräch über die einzuleitenden Ermitt

lungen darauf hingewiesen, daß das Verfahren durchzuführen sei „ohne Rücksicht darauf, ob HDW Fortsetzung auf Seite 2

beteiligt ist oder nicht“. Tatsächlich aber ließ Stoltenberg über den Staatssekretär Tietmeyer das staatseigene Unternehmen vor drohenden Ermittlungen warnen und Ermitt

lungen gegen HDW fast ein Jahr lang verzögern. Der Stoltenberg unterstellten Oberfinanzdirektion Kiel wurde aufgegeben, ausschließlich gegen IKL zu ermitteln.

Stoltenberg verschwieg seinem Staatssekretär Obert in dem Gespräch über die Ermittlungen auch ein bereits 1983 vom damaligen HDW-Aufsichtsrat Pieper erhaltenes Schreiben. Darin war in 15 Punkten das komplette Geschäft mit seinen illegalen Praktiken detailliert geschildert. Dieses Schreiben wurde auch der Oberfinanzdirektion bei der Auftragserteilung vorenthalten.

Das Verfahren gegen die Firmen wurde eingestellt, obwohl die Vermerke der Leitung des Ministeriums höchsten Handlungsbedarf signalisierten. So heißt es im Bericht, daß die Versicherung der Firmen - man habe das Geschäft ohne Vollendung aufgegeben - nicht nachgeprüft wurde. Alle Angaben über die Menge der nach Südafrika gelieferten Pläne beruhten „lediglich auf Angaben der Firma“. Die „gesamten Unterlagen, die am Vorstand lagern, sind überhaupt nicht eingesehen worden“, schreibt der Beamte. Er verweist auch auf Tarnkonten, über die offenbar nach Südafrika abgestellte HDW-Mitarbeiter bezahlt werden. An anderer Stelle heißt es, daß die Angaben der Firma „vollkommen unglaubwürdig und wenig schlüssig “ seien.

Ohne Reaktion bei der Amtsleitung

blieb auch ein Zwischenbericht der Oberfinanzdirektion mit der Feststellung, daß HDW über 2,2 Millionen Mark an „Schmiergeld“ an den südafrikanischen Verbindungsmann Albrecht gezahlt habe. Wohin das Geld floß, wurde nicht untersucht - die Oberfinanzdirektion wurde lediglich gebeten, künftig die Bezeichnung „Schmiergeld“ zu unterlassen.

Aufklärungsbedarf hätte aus mehreren Gründen bestanden. Festgehalten wurde schließlich Anfang 1985 in einem HDW -Protokoll, daß Albrecht nur Anspruch auf insgesamt 1,6 Millionen Mark habe. Dieses lief bei HDW unter dem Titel „nützliche Abgaben“. Wer den Rest erhalten hat, bleibt offen. Sicher ist, daß im Sommer 1985 insgesamt 500.000 Mark an Albrecht mit dem strikten Hinweis überwiesen wurden, daß diese „Zahlungen, entsprechend unserer Vereinbarung, ausschließlich zur Weiterleitung bestimmt sind“. In der Bundesrepublik hatte sich insbesondere der Strauß-Freund und ehemalige CSU-Abgeordnete Zoglmann für das U-Boot-Projekt stark gemacht. Zoglmann soll nach HDW-Angaben keine Mark Provision erhalten haben, weil das Geschäft mit Südafrika nicht zustande gekommen sei. In einem anonymen Schreiben an den parlamentarischen Untersuchungsausschuß war allerdings auf eine Zahlung von 600.000 Mark für Zoglmann verwiesen worden. Auch

Albrecht hatte noch Ende 1986, also ein Jahr nach der angeblichen Beendigung des Geschäfts, nahezu eine Million Mark für seine Dienste erhalten.