Affenscharf, hinreißend,

■ Auszubildende beim Frauenerwerbs-und Ausbildungsverein verwöhnten mit Augen-und Gaumenschmaus

„Davon kann nachher keine leben“, sagt die Berufsschullehrerin neben mir. Da rauscht zu Disco-Sound ein Model mit einem affenscharfen Bolero-Kostüm aus Kunstleder über den Laufsteg und wirft eine Rose in die Zuschauermenge.

„Die meisten hoffen auf Ehe und Familie“, setzt meine Tischnachbarin ihre Rede fort, in dem Moment kommt Petra mit ihrem schwarz-rot-gestreiften Jersey-Blazer, aus dem unten lange, schwarze Leggings ragen, und riskiert einen dezenten Hüftschwung.

Der Frauenerwerbs-und Ausbildungsverein hatte zum Tag der offenen Tür geladen, um vorzustellen, was 50 benachteiligte Frauen in drei überbetrieblichen Ausbildungsgängen gelernt haben und noch lernen. Im Publi

kum anwesend waren Behördenvertreterinnen, frühere Absolventinnen (eine hatte ihr Zeugnis von 1910 dabei), Mütter und Großmütter. Sie applaudierten sich die Hände heiß ob der blühenden Schönheiten mit kecken Paspeln, leuchtender Seide und raffinierten Überwürfen auf Hüfte und Schulter. Und das alles soll keine Zukunft haben? Ein strahlendes Model mit stahlblauem Satin-Anzug schwingt über den Laufsteg. Das alles soll nur stattfinden, um einen Ehemann zu finden?

Senatorin Uhl am Nachbartisch: „Ob Sie's glauben oder nicht: Ich hab‘ mal beim Frauen-und Erwerbsverein eine hauswirtschaftliche Ausbildung gemacht. Ich wollte ja gleich heiraten, aber meine Eltern haben gesagt...“

Drehbank? Kochtopf?

Schon seit 120 Jahren bildet der Verein Frauen aus, früher, so die Vorsitzende Gisela Hüller, damit die unverheirateten Schwestern den Männern nicht auf der Tasche lagen. Funktioniert das heute noch? Senatorin Uhl hält eine Rede über die gesellschaftliche Benachteiligung von Frauen und daß das Denken weggehen muß von den orginären Berufsfeldern und daß die Politik den Rahmen dafür schaffen muß. Ist es denn nun so ganz und gar verwerflich, junge Frauen statt an die Drehbank an Nähmaschine und Kochtopf zu setzen?

Was Spaß macht

Die Türkin Hamide hat drei Jahre auf diese Ausbildung gewartet: „Ich wollte es unbedingt machen,

„ sagt sie begeistert. Hüller: „Einige Türkinnen haben sich mit dieser Ausbildung in der Türkei selbständig gemacht. Und schließlich: Warum muß ein Bafög-Student sich nicht für die berufliche Perspektive seiner Wahl rechtfertigen und unsere Mädchen sollen sich nicht für das entscheiden können, was ihnen Spaß macht?“

Schneidermeisterin Rita Krause meint: „Wichtig bei dieser Ausbildung ist die Kreativität und die Freude, die daraus erwächst. Schließlich kommt es auch auf die Cleverness der einzelnen an, ob sie aufbauende Schulen besucht oder es bis zur Meisterin schafft.“

Die Berufsschullehrerin: „Es ist ein Auffangbecken. Aber besser als das Fließband ist es allemal.“ bea