Geschenkläden: Jahrmärkte der Sinnlosigkeiten

■ Einfältige Geschäfte mit der Einfaltslosigkeit / Der Trend: hohl und frivol / Gewinnspannen bis 250 Prozent / Schenken als Strafe

Der Jumping Jolly Pecker war vor Weihnachten ein echter Renner. Da verkaufte Wolfgang Bruns, Inhaber des Nippes -Ladens „spleen“ am Ostertorsteinweg, gut fünfzig, sechzig Stück pro Tag. Für fünf Mark konnten die begeisterten Kunden den daumengroßen Penis mit Aufziehwerk erstehen, der auf seinen beiden Metallfüßen über jede glatte (Büro-) Tischplatte hüpfen kann: ein „ideales Geschenk“ (Bruns) für humorvolle Julklapp-Orgien in Kegelklubs, Verwaltungsbüros und Männergesangsvereinen.

Hätten Sie nicht auch Gefallen an drei Gorbatschow -Präservativen für „Blasnost“ und „Penistroika“, elektronisch geprüft, versteht sich, zum Preis von 9,90 Mark? Oder sollten es lieber die gefühlsechten Geschmackskondome „Tutti Frutti“ in den Richtungen Erdbeer, Pfefferminz und Lakritze sein? Für die FreundInnen akustischer Reize gibt es die Verhüter schließlich auch mit Schallfolie: Nach dem Aufreißen der Päckchen ertönt die zweideutige Geburtstagshymne: „Hoch soll er leben“ im Elektrosound. Sehr zu empfehlen ist auch ein zartroserner Frauenpo in Handtellergröße, der sich als duftendes Stück Seife entpuppt (10,80 Mark) und eine Steingutnachbildung des gleichen Motivs, die sich leicht als Toilettenpapierhalter in jedes Badezimmer montieren läßt (29,90 Mark).

GeschenkverkäuferInnen lassen sich nicht gerne in die Karten gucken. Eine zentrale Registratur

beim Einzelhandelsverband fehlt. Allein das Branchenverzeichnis nennt über 50 Geschenkartikelläden in Bremen, nicht eingerechnet sind große Kaufhäuser und Ketten wie Nanu-Nana. Branchenkenner schätzen, daß in Bremen jährlich 25-30 Millionen Mark mit den Unsinnigkeiten eingenommen werden, davon etwa 20 Prozent bei den großen Kaufhäusern Karstadt und Horten. Die überwiegend kleinflächigen Läden kalkulieren mit Gewinnspannen zwischen 150 und 250 Prozent, in Einzelfällen bis 1.000 Prozent Aufschlag. Pro Quadratmeter Verkaufsfläche müssen von den „Kleinen“ zwischen 6.000 und 8.000 Mark im Jahr umgesetzt werden.

Neben den anzüglichen Geburtstagsüberraschungen dominiert eine zweite Warenkategorie in den Regalen der GeschenkanbieterInnen: Nutzgegenstände, die in der Dekoration aufgemotzt sind: Das fängt an bei den Kaffeetassen mit der Lieblings-Comic-Figur, die dem verschlafenen Frühaufsteher ein herzliches „Guten Morgen“ per Sprechblase zublubbert, geht über Glückwunschkarten, die in Drehständern mit dummen Sprüchen und Fließbandmotiven verzweifelt um Originalität konkurrien, um Micky-Maus Würfel im Format fünf mal fünf, die sich in der Badewanne zu Handtüchern entfalten oder Zuckerzangen, die den Würfelzucker für den Tee am Sonntag zwischen zwei kräftige Kieferprothesen packen: Was

dem Zahnarzt recht ist, sollte dem Gastgeber billig sein. Das alles sind Kleinigkeiten, die unter der finanziellen Schamgrenze von 10 Mark liegen. Auf diese Artikel hat sich die Geschenkkette Nanu-Nana eingeschossen. Allein in der Bremer Innenstadt unterhält sie zwei Läden. Wieviel sie pro Jahr mit Anspitzer Micky-Mäusen und vorgedruckten Postkarten bis zur Preisklasse von stolzen sieben

Mark umsetzen? „Darüber dürfen wir keine Auskünfte geben“, erklärte die Geschäftsführerin.

Irgendwo in den hinteren Regalen sind dann nicht mehr nur die Motive geschmacklos, sondern auch die Preise. Der bayerische Waidmann beispielsweise, der einen original voralpinischen Jodler ertönen läßt, wenn man ihn an der Krawatte zieht, kostet lächerliche 50 Mark, eine Nacht

tischlampe im Bananendesign (für potentielle ÜbersiedlerInnen?) nur 110 Mark. Da darf dann natürlich auch der Bat-man-Spiegel in 50 mal 200 für 98 Mark nicht fehlen, gefolgt von dem als Musik-Box gestylten Vier-Wellen-Radio mit Cassetten-Teil für lumpige 350 Mchen oder die aufblasbare Sitzgarnitur für 200 Märker.

Wer kauft so etwas? Wolfgang

Bruns von „spleen“: „Vom Schüler bis zur Fünfzigjährigen Hausfrau hab‘ ich hier praktisch alle vertreten“. So unterschiedlich wie die KundInnen sind auch die Anlässe, zu denen gekauft wird. Die meisten Artikel werden wirklich verschenkt, weil die KundInnen zu siebzig Prozent Wert auf eine entsprechende Verpackung legen. Wer so beschenkt wird, ist ein arme(s) SchweinIn, wer so schenkt, ein Schwein, aber nicht arm. Schenken wird zur Strafe für alle JubiliarInnen. Markus Daschne