Schleimpilz ersetzt Kaninchen

■ Tagung der Zellbiologen an der Universität Bremen

Zellkulturen als Testsysteme - diesen Weg beschreiten ZellbiologInnen europaweit, um Tierversuche einzuschränken. Die Petri-Schale ersetzt dabei das gequälte Tier. Das ist einer der Themenkomplexe, mit denen sich die 500 TeilnehmerInnen auf der Tagung der Deutschen Gesellschaft für Zellbiologie an der Universität Bremen vom 19. bis 23. März beschäftigten.

Ludger Rensing, Detmar Beyersmann und Armin Hildebrandt vom universitären Institut für Zellbiologie berichteten zum Abschluß der Tagung über ihre Forschungstätigkeit. Zur Anschauung brachten sie ihre Versuchskanichen mit, eben jene in Zellkultur zu haltenden Zellen tierischer oder pflanzlicher Herkunft: Petri-Schalen mit überdimensionalen Einzellern - dem grünen Schleimpilz Physarum, ein Einzeller, der bis zu sechs Quadratmeter groß werden kann und eine giftgrüne Flüssigkeit im Kolben - die Grünalge Chlorella. Auf handhabbare Größe gebracht, so daß er gerade eine Petrischale ausfüllt, ist der Schleimpilz ein ideales Objekt für Mani

pulationen der gemeinsten Art. Zudem zeigt er unmittelbar, wie es ihm dabei ergeht. So gut haben es die Mitarbeiter von Prof. Beyersmann nicht: sie arbeiten mit mikroskopisch kleinen Humanzellen. Genauer mit einer Zellinie, die vor 40 Jahren aus Tumorzellen einer Frau namens Helene Lange gewonnen wurden und seitdem als Hela-Zellen in der Wissenschaft ihren Dienst tun. Beyersmann untersucht in diesen Zellkulturen die Wirkungen von industriellen Arbeitsstoffen, insbesondere Schwermetallen sowie ultravioletter Strahlung. Die Zellkulturen können aber noch mehr: beispielsweise pharmazeutische Stoffe produzieren, die besser sind als ein synthetisches Produkt. So auch ein Medikament, das die Auflösung von Blutgerinnseln bewirkt. Es wird direkt aus in Kultur gehaltenen Zellen, die normalerweise Blutgefäße von innen auskleiden, sogenannten Endothelzellen, gewonnen.

Aber eigentlich wollen sich die Wissenschaftler nicht auf die praktischen und kritischen Anwendugsbereiche ihrer For

schung festnageln lassen: Schließlich bezieht man seine wissenschaftliche Reputation aus der Grundlagenforschung und zum anderen wähnen sich die Zellbiologen gegenüber ihren Kollegen aus der Genetik immer noch im Stande der Unschuld eine Einschätzung, die im wesentlichen zutreffen dürfte. Grundlagenforschung, das heißt: wie und auf welchem Weg passiert etwas in der Zelle und nicht: wie man diese Versuche etwa zu einem Biotestverfahren ausbauen könnte. Rensing: „Alles spricht miteiander in der Zelle. Unsere Aufgabe ist es, diese Wechselwirkungen analytisch zu erfassen. Erstmal müssen wir verstehen, dann beeinflussen.“

Inwieweit können Biotestsysteme Tierversuche ersetzen? Detmar Beyersmann: „Wenn sie zu Beginn einer Testreihe angewandt werden und schon auf schädigende Wirkungen hinweisen, kann man auf weitere Versuche mit Tieren verzichten. Um bei einem pharmazeutischen Produkt toxische Wirkungen auszuschließen, werden Tierversuche weiterhin notwendig sein.“ po