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Elektronik-Insel O Ost-taz

■ Seit vier Wochen wird im Gebäude des früheren ZK der SED die taz für die DDR gemacht. Zwar kommt die Redaktion größtenteils aus der DDR, die meiste Technik stammt jedoch aus dem Westen - und die hat der Computer-Crew der taz-West einige abenteuerliche Wochen beschert.

DIETMAR BARTZ hat sich die Gründe erklären lassen.

alf Klever hat nach eigener Einschätzung schon einiges mitgemacht, aber die Schwierigkeiten mit der technischen Ausstattung der taz-Redaktion im ehemaligen Gebäude des SED -Zentralkomittees in Ost-Berlin schlug jeden Rekord. „Es ging fast alles schief, was schiefgehen konnte“, seufzt der taz-Computerexperte über die letzten Wochen in der Ost-taz, wie sie im Hausjargon der West-taz genannt wird. „Daß eine Installation Ärger macht, ist selbstverständlich. Aber so etwas habe ich noch nicht erlebt.“

Die „derzeit letzte mittlere Katastrophe“, so Klever, wäre beinahe am Freitag vor den Volkskammer-Wahlen über die Redaktion hereingebrochen. Zum Wochenende holte ein Techniker der DDR-Nachrichtenagentur 'adn‘ die drei geliehenen Robotron-Drucker wieder ab, die durch ein Gerät von Hewlett-Packard ersetzt werden sollten. Der Mann zog nicht nur alle erreichbaren Kabel aus den Steckern und legte so auch die Stromversorgung einzelner PCs und ihren Anschluß an den Hauptrechner lahm, sondern nahm außer den 'adn' -Druckern auch die Modems mit, die den Pfeifton der Agenturmeldungen in das serielle Signal verwandeln, das vom Rechner eingelesen wird.

Die Demontage war sogar dem Techniker selbst merkwürdig vorgekommen. „Aber er hat selbst gesagt“, schüttelt Klever den Kopf, „daß er dann nicht weiter drüber nachgedacht hat.“

Dabei stammten bislang die allermeisten Schwierigkeiten nicht von der DDR-Seite, sondern von den westlichen Herstellern der Geräte. Um sich einen zentralen Hauptrechner zu ersparen, der mehrere hunderttausend Mark gekostet hätte, wurde ein PC von Panatec mit dem SCO/Unix-Betriebssystem ausgestattet, der quasi als Sammelstelle für die redaktionellen Texte und die Agenturmeldungen fungiert. Angeschlossen sind fünf PCs von Nokia, die mit dem Satzsystem von Alfa ausgestattet sind. Hinzu kommen außer einigen tragbare Laptops ein Laserdrucker von Alfa, ein Korrekturdrucker von Mannesmann und der Hewlett-Packard als Systemdrucker für Agenturmeldungen. Das Konglomerat von Herstellern macht Sinn - ein komplettes Redaktionssystem bietet keine Firma an. Und nachdem alles angeschlossen war, funktionierte nichts.

Denn an vier der fünf Nokia/Alfa-PCs sollte der Mannesmann -Drucker angeschlossen werden können, ohne den Hauptrechner in Anspruch nehmen zu müssen. Dazwischen gehört ergo ein Verteilgerät. Da die vier PCs eine parallele, der Drucker aber eine serielle Schnittstelle hatte, kam noch ein Konverter dazwischen, der für den gleichberechtigten Zugang zum Drucker sorgt. Doch auch nachdem der beschädigt gelieferte Tintendruckkopf des Mannesmann-Gerätes ausgetauscht war, wurden keine Texte ausgedruckt - die Nokias hatte zwar die richtigen Parallel-Schnittstellen, waren aber falsch konfiguriert. Nach der Fehlerbehebung druckte zwar der Mannesmann - nur keine Texte des Alfa -Satzprogramms. Den Alfa-Leuten war der Fehler unerklärlich: „Das muß gehen“, war die wiederholt gehörte Antwort. Das ging aber trotzdem nicht - zunächst aber stellte sich auch der Konverter als kaputt heraus.

onverter repariert, Drucker repariert, Schnittstelle repariert, alles lief - nur die mit Alfa verarbeiteten Texte kamen immer noch nicht aus dem Drucker. Eine weitere Nacht kostete es, bis der Fehler entdeckt war: Bevor das Alfa -Satzsystem ausgeliefert wird, stellt das Werk eine Option ein, nach der auf dem Ausdruck die Zeilen numeriert werden und immer dann blieb der Rechner stehen. Der Einfachheit halber werden seither die Texte der Ost-taz ohne Zeilenzählung ausgedruckt.

Denn Zeit, den Fehler zu beheben, blieb bisher nicht, auch wenn inzwischen die zunächst nicht funktionierenden Bausteine im Panatec-Hauptspeicher repariert sind und der Rechner mittlerweile mit dem richtigen Floppy-Laufwerk ausgestattet ist. Die Betriebssysteme, obwohl allesamt als Unix firmierend, sind in unterschiedliche Richtungen weiterentwickelt und untereinander nur mit hohem Programmieraufwand kompatibel - auch wenn sie einmal ausnahmsweise keine expliziten Softwarefehler enthalten. Norbert Thies, der eigentlich das neue taz-Volltext -Suchprogramm implementieren wollte und kurzerhand für die Ost-Installation verpflichtet worden war, verzweifelte insbesondere ob der Raffinessen, mit denen das Unix -Betriebssystem von SCO aufwartete.

Denn es kam der Tag, an dem auch das DDR-Fersehen kam, um über die neue Redaktion zu berichten - am Samstag unmittelbar vor der sonntäglichen ersten aktuellen Produktion. Nicht nur, daß ein Beleuchter Gehäuse-Bruch am Panatec verursachte. Ahnungslos schaltete er auch einen starken Scheinwerfer ein, den er an irgendeiner der zahlreichen Steckdosen angeschlossen hatte. Prompt blieb die Spannung einen Moment lang weg - und das System brach zusammen. Der UPS, der die unterbrechungsfreie Stromversorgung garantiert hätte, war noch nicht geliefert worden.

Nun befindet sich bei Unix ein großer Teil des File -Systems, das als Manager für die einzelnen Textdateien fungiert, im Hauptspeicher, nicht jedoch auf der Festplatte. Bei der Stromunterbrechung wurde irgendein Knoten, der Befehle verteilt, verändert. Kein Problem, wenn der File -Systemcheck zu Verfügung steht, beruhigt der Hersteller. Doch weit gefehlt: Der Check lief durch und stürzte immer wieder ab - und bescherte dem System noch eine Zeitbombe: Ein Befehl, der für nichts weiter als das Löschen von Agenturmeldungen nach einer Woche sorgt, wurde durch den Check nach „oben“ geholt, und alsbald begann das System damit, Teile von sich selbst zu löschen. Seither empfiehlt Thies, nach einem Crash das System komplett zu löschen und dann neu einzurichten - aber nie den Systemcheck zu starten.

un ist die Ost-taz, elektronisch gesehen, immer noch eine Insel. Noch fahren Boten die Disketten mit Texten, die in der einen Redaktion geschrieben werden, von der Koch- in die Oberwasserstraße und umgekehrt; west-östliche Datenfernübertragung existiert noch nicht. Über Wochen haben sich Ralf Klever und Kollegin Doris Benjack um eine Leitung bemüht - und stießen im behördlichen Oberbau, wie sie angenehm überrascht feststellten, auf große Kooperationsbereitschaft. Gnadenlos gemauert wird allerdings auf der mittleren Ebene, auch wenn es hier ebenfalls überall Zusagen gab. „Viel zu viele“, blieb Klever mißtrauisch, „nur keine schriftlichen.“ Doch die reichten immerhin von der Ankündigung, eine 200-Baud-Leitung innerhalb eines halben Jahres einzurichten, bis zum Versprechen: „Nächste Woche habt Ihr eine 19.200-Baud-Synchronleitung.“ Diese Hochgeschwindigkeitsleitung gibt es bislang nicht einmal in den öffentlichen Netzen der BRD. Die Ankündigung datiert von Ende Februar, passiert ist bislang natürlich nichts.

nd selbst wenn die 200-Baud-Leitung kommt, wird es abenteuerlich, denn diese Übertragungsgeschwindigkeit ist im Westen eine absolut unübliche Norm. „Die Deutsche Post hat die steileren Filter“, anerkennt ein Experte der Bundespost in West-Berlin mit etwas Neid. Die Filter sind ein Ergebnis der Mangelwirtschaft in der DDR: Je mehr Frequenzen über 200 Baud weggenommen werden, umso enger können, wenn schon überhaupt nur wenige Leitungen zur Verfügung stehen, die Datenpakete auf einen Kanal gepackt werden. Gehen bei der Bundespost die üblichen 300 Baud noch problemlos durch die Filter, meldet die Deutschen Post schon den Abbruch der Übertragung. An einer Lösung des Problems im taz-West-Ost -Verkehr, so ist aus der EDV-Abteilung der taz zu erfahren, wird derzeit gearbeitet.

Immerhin, schnelle telefonische Hilfe ist ab nächste Woche geplant. Der Chaos Computer Club hat der taz zwei Modems geliehen, die eine dauerhafte Standleitung zwischen den Rechnern der beiden Redaktionen herstellen werden. Die wird, auch wenn sie den Botendienst nicht ersetzt, künftig vom frühen Vormittag bis zum Redaktionsschluß für den elektronischen Datenfluß sorgen. Dafür müssen wir zwar zwei der wenigen hundert Leitungen zwischen West- und Ost-Berlin in Anspruch nehmen, aber wir versprechen: Das hört sofort dann auf, wenn die Herren vom Amt für nichtöffentliche Fernmeldeeinrichtungen in Magdeburg ihre Arbeit freundlicherweise als öffentliche begreifen.

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