Gewerkschaften gestehen Niederlage im Berliner Kita-Streik ein

■ Längster Arbeitskampf in Berlin nach dem Krieg / 400 Kindertagesstätten seit zehn Wochen dicht / SPD-Bürgermeisterin Stahmer: Der Streik hinterläßt „viele Wunden auf allen Seiten“

Berlin (ap/dpa/taz) - In dem seit zehn Wochen anhaltenden Streik der knapp 400 städtischen Kindertagesstätten (Kitas) in West-Berlin haben die Gewerkschaften ÖTV und GEW am Freitag eine Niederlage eingestanden und den Arbeitskampf vorläufig ausgesetzt. Die vom Streik der rund 6.000 ErzieherInnen betroffenen Kitas mit 46.000 Kindern sind nach einem Beschluß der gemeinsamen Tarifkommission vom kommenden Mittwoch an wieder geöffnet.

Berlins Bürgermeisterin Ingrid Stahmer nannte den Aussetzungsbeschluß des mit großer Härte geführten Streiks „vernünftig“. Er sei ein Beitrag zum „sozialen Frieden“ und bringe ein vorläufiges Ende „der fürchterlichen Belastungen für Eltern, Kinder und Erzieher“.

Die SPD-Politikerin sprach vom längsten Streik in der Nachkriegsgeschichte Berlins. Er hinterlasse „viele Wunden auf allen Seiten“. Das ursprüngliche Ziel der Gewerkschaften sei „überzogen“ gewesen. Die Gewerkschaften warfen dem rot -grünen Senat einen „knallharten Konfrontationskurs“ vor, erhoben aber in ihrer gemeinsamen Erklärung keine Forderungen mehr. Sie gaben zu, daß „die Reduzierung der Gruppengröße sowie eine spürbare Verbesserung des Personalschlüssels in tarifvertraglicher Form zur Zeit, das heißt in der gegenwärtigen politischen Situation, mit dem Mittel des Streiks nicht durchzusetzen sind“.

In dem Streik ging es den ErzieherInnen unter anderem um eine tarifvertraglich festgeschriebene Personalaufstockung. Sie vertraten die Ansicht, die Personaldecke sei so dünn, daß Kindertagesstätten zu „Bewahranstalten“ verkommen seien und pädagogische Betreuung nicht mehr stattfinde.

Der Senat lehnte die Forderung mit dem Hinweis ab, er könne nicht aus der Tarifgemeinschaft der Länder mit allein für Berlin geltenden Sonderregelungen ausscheren. Die öffentlichen Arbeitgeber hätten einen solchen Alleingang Berlins als Solidaritätsbruch einer Partei bewerten und Sanktionen verhängen können. Auch hätten die Forderungen der Gewerkschaften das Land Berlin finanziell überfordert.

In den langwierigen Verhandlungen mit den Gewerkschaften gestand der Senat unter anderem 248 zusätzliche Stellen zu, die aber nicht tarifvertraglich festgeschrieben wurden. Der Streik drohte am Ende wegen der Bereitschaft der rot-grünen Parlamentsmehrheit zu eskalieren, Eltern, die ihre Kinder in den bestreikten Kitas selbst betreuen wollten, eine Aufwandsentschädigung zu bezahlen. Die Gewerkschaften hatten dies als den Einsatz von Streikbrechern bewertet.

Der Berliner ÖTV-Chef Kurt Lange schloß gestern nicht aus, daß die ErzieherInnen wieder „Dienst nach Vorschrift“ leisten werden. Dies werde aber von ihnen selbst bestimmt.