Ob sie noch so brummen

■ In einem von diesen meditationsförderlichen Gottesdiensten / Einfach nichts los in der Friedenskirche in der Humboldtstraße

Es war einer von diesen Gottesdiensten, wo einfach nichts los ist und man so wunderbar vor sich hinmeditieren kann. Draußen scheint die Sonne, kann man sehen durch das ziemlich scheußliche Buntglas der großen Fenster. Das dem rosa -gehäkelten kleinen Mädchen so gut gefällt, es kuckt sie immer über gefalteten Händen ins bunte Licht. Nur wir sind spannender, wenn wir plötzlich aufstehen und zu Murmeln anfangen atta unsa tu in himminam... dann starrt sie uns über ihregefalteten Hände an.

Pastor Augustin vollzieht den „Taufbefehl“, so nennt er das, an Baby Jascha. Das füllt die ersten beiden Reihen mit seiner Verwandtschaft und stellt damit absolut die Mehrheit der Besucherinnen. Schweigt ansonsten mustervorbildlich, auch unter Wasser kein Piep. Bloß der Pastor fällt fast die Altarstufen runter und erschreckt uns damit, aber nurkurz. Die Predigt macht dann alles wieder gut. Der Mann predigt so wunderbar interesselos, ich könnte beim besten Willen nicht mehr sagen, was und wie und gar wovon.

ch, da vor der Predigt, da war ein Text aus Johannes 12. Kapitel. Sieh da, hab ich kurz geblinzelt, wr Christens haben sogar den heidnischen Demeter-Rhythmus aufgeschnappt und eingebaut. Dieses Stirb und Werde, dieses Sterben, um Leben geben zu können, das steckt in unserem merkwürdigen Menschen-Selbstopfer-Mythos auch drin, der jetzt nun bald an Ostern sich erfüllt.

„Tobe, Welt, und springe; ich steh hier und singe / in gar sicherer Ruh“. Das singen wir. Nr. 293. Ist das schön. Von Johann Frank 1650 geschrieben, zwei Jahre nach dem dreißigjährigen großen Schlachten im teutschen Reich,, nach dem Krieg, der auch unserorts das Land unter Blutströmen veröden ließ. “...und singe in gar sichrer Ruh. Gottes Macht hält mich in acht, Erd und Abgrund muß verstummen, ob sie noch so brummen.“ Und brummen, das singt man auf einmal ganz tief und mollig.

Und der nette Pastor läßt das Lied nochmal singen, nach der Predigt, die irgendwann zuende gegangen sein muß, nochmal eine Strophe. Ich sing das immer noch, das mit dem Brummen. Über eine ganze Oktave geht dies treuherzig klagende Lied, und dies tiefschräge Brummen. Sogar jetzt, wo es absolut zu alles zu spät ist, brumm ich es noch.

Uta Stolle