Reiz der Ringmodulatoren

■ Zum Vortrag „Elektronik in der zeitgenössischen Musik von Frauen“ im Frauenkulturhaus

Kaum zu glauben, aber wahr: „Die komponierende Frau hat vor dem elektronischen Studio keine Angst und bewegt sich zwischen Ringmodulatoren und Synthezisern so sicher wie zwischen Ringmodulatoren und Staubsaugern“, formulierte 1980 ein bundesdeutscher Musikkritiker. Trotz der hier konstatierten technischen Versiertheit und trotz des facettenreichen Werks werden Komponistinnen in den gängigen Musikgeschichten stiefväterlich behandelt, d.h. praktisch totge- schwiegen oder als Performance-Selbstdarstellerinnen verdächtigt. So geschehen auch Laurie Anderson, eine der sicher bekanntesten Vertreterinnen moderner elektronischer Musik. In Plattenläden und auf Computermusiktagen sucht frau/man meist vergeblich nach Kompositionen von Frauen.

Ute Schalz-Laurenze, Musikwissenschaftlerin und -kritikerin aus Bremen, ließ sich dadurch jedoch nicht abschrecken und begab sich auf die schwierige Materialsuche. Hindernis waren nicht fehlende Kompositionen, sondern vielmehr die selbstgewählte - oder doch eher erzwungene - Distanzierung vom männlich dominierten Musikgeschäft. Anhand der 50 Stücke von 20 zeitgenössischen Musikerinnen ging Ute Schalz -Laurenze am Freitag abend im Frauenkulturhaus der Frage nach, ob sich in der modernen elektronischen Musik von Frauen eine weibliche Ästhetik nachweisen läßt, die sich an Silvia Bovenschens Vorstellung von einer weiblichen (Literatur-)Ästhetik messen lassen kann. Bovenschen schreibt: „Wenn aber der sinnliche Zugang, das Verhältnis zu Stoff und Materie, die Wahr

nehmung, die Erfahrung und Verarbeitung taktiler, visueller und akustischer Reize, die Raumerfahrung und der Zeitrhythmus bei Frauen qualitativ andere Voraussetzungen haben, dann müßte das logischerweise auch in besonderen Formen der mimetischen Transformation sichtbar werden.“

Im Gegensatz zu den Markt beherrschenden Stücken von Komponisten, die sich häufig mehr durch das Spiel mit dem technisch Möglichen auszeichnen, stehen Produktionen von Frauen mit einer „generell fragenden und reflektierenden Ästhetik“. Eindrucksvoll belegt durch die Auswahl einiger Stücke von Komponistinnen wie Laurie Spiegel und Teresa Rampazzi. In den vorgespielten Stücken wurde auf unterschiedlichste Art und Weise demonstriert, wie Frauen elektronische Musik nützen, um sich bewußt mit Gesellschaft und Kultur auseinanderzusetzen und um ihre Erfahrungen ästhetisch zu realisieren. Beispielsweise hat die Komponistin Doris Hayes über das „Nein-Sagen-Müssen“ der Frauen in aller Welt ein Stück geschrieben, in dem ihre Neins in allen Sprachen zusammengeschnitten, überlagert, verfremdet werden. In dem abschließend vorgespielten Stück von Patricia Jünger „Sehr geehrter Herr - ein Requiem“ wurde noch einmal eindringlich das kritische Potential elektronischer Musik hörbar, in der sich Technik nicht als neues Unterdrückungsinstrument erweist. Im Gegenteil: Die Unabhängigkeit vom Musikbetrieb ermöglicht die Entwicklung einer spezifisch weiblichen Ästhetik. Ursula Lübb