: Giftgas-Transport: Kunick „eiert“
■ 250 Gewerkschafter verabschiedeten „Bremerhavener Apell gegen Giftagas-Transport“
Sechs Milligramm sind tödlich. 435 Tonnen werden kommen. 100.000 us-amerikanische Giftgasgranaten vom Typ „Sarin“ und „VX“ werden irgendwann zwischen Juli und Sepotember über norddeutsche Bahngleise Richtung Nordenham rollen. Jeder Tropfen kann sechs Menschen töten. Wenn eine einzige der Giftgranaten explodiert, ist im Umkreis von einem halben Kilometer alles verseucht.
Das Giftgas wird veraussichtlich in sieben nächtlichen Zugtransporten nach Nordenham geschafft. Alle möglichen Reiserouten führen durch dichtbesiedelte Gebiete.
Rund 250 Bremer Gewerkschafter diskutierten am Samstag auf Einladung des DGB-Kreises Bremerhaven die Risken des geplanten Abtransports. Einer fehlte allerdings unter den geladenen Gästen: Bremens Häfensenator Konrad Kunick. Seine Absage hatte Kunick Bremerhavens DGB-Chef Jonny Lüdemann schriftlich begründet: „Die Ursache liegt darin begründet, daß die Bundesregierung alle beteiligten Dienststellen bis hin zu den Landesresgierungen auf die Geheimhaltung zugehender Informationen verpflichtet hat. Ein Bruch solcher Verpflichtungen würde zu strafrechtlichen Konsequenzen führen. Diese Tatsache hat schon in der Vergangenheit dazu geführt, daß ich in der Fragestunde der Bürgerschaft nur 'herumeiern‘ konnte. Ein Zustand, den ich nicht wiederholen
möchte.“
Kunicks heimliches Fehlen aus noch geheimeren Gründen, hinderte die Teilnehmer dennoch nicht, einen „Bremerhavener Appell zu den Giftgastransporten“ zu verabschieden. Die Bundesreregierung wird darin aufgefor
dert, umgehend eine vergleichende Risikostudie für die „gefahrenärmste Vernichtungsmethode“ bzw. die „gefahrenärmste Transportmethode“ zu erstellen, über Zeitpunkt, Art und Umfang der geplanten Transporte zu informieren und Katastrophen
Schutzpläne in den betroffenen Regionen zu entwickeln.
„Wir begrüßen die Vernichtung der C-Waffen ausdrücklich“, betonte Bremerhavens Gewerkschafts-Chef, Jonny Lüdemann, zu Beginn der Veranstaltung. Aber: Im Hinblick auf die Risiken und das Sicherheitsinteresse der Bevölkerung seien die Fragen der Gewerkschadft vonm Verteidigungsministerium nicht beantwortet worden.
Die Sprachregelung der Bundesregierung, wonach das Rest -Risiko „nicht mehr quantifizierbar“ sei, könne er nicht akzeptieren. Mit dem Bremerhavnerer Appell will Lüdemann alle an den Transportstrecken liegenden DGB-Kreise aktivieren. Umso mehr bedauerte Lüdemann, daß eine Gruppe von KollegInnen aus der Wesermarsch den Saal vor der Abstimmung verlassen hatte. Grund: Sie hatte sich mit ihrer Forderung, den Appell um eine Stellungnahme zu den alltäglichen US-Munitionstransporten zu erweitern, nicht durchsetzen können.
Bestandteil der Konferenz war auch eine mehrstündige Experten-Anhörunf. Julius Lehlbach, ehemaliger Vorsitzender in Rheinland Pfalz erinnerte an daran, daß der jetzt geplante Giftgasabzug ohne die Friedensbewegung nicht zustande gekomnmen wäreLehlbach: „Viele, die sich heute die Rosen des Erfolgs anstecken, haben mir gestern noch die Dornen ums Gesicht gezogen.“
Hans Happel
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