Der total arisierte Olympia-Hain

■ Mit Leni Riefenstahls Olympia-Filmen erreichte die mediale Auswertung der Spiele einen ersten Höhepunkt

Heute bestimmen die Wirtschaftsinteressen von Medienkonzernen wie des US-amerikanischen TV-Giganten ABC die Startzeiten und die Abfolge der olympischen Wettbewerbe, die Farben von Spielflächen, Laufbahnen oder der Sportgeräte. Nicht mehr das Ereignis zählt, sondern die mediale Aufbereitung. Doch die optische Ausschlachtung und Zurichtung der weltweiten Jugendspiele begann schon lange vor der Hoch-Zeit des Fernsehens: Leni Riefenstahl, Filmregisseurin, Fotografin und Anwerberin von Komparsen aus KZs, erwies sich mit den in Goebbels‘ Auftrag hergestellten Olympia-Filmen „Fest der Schönheit“ (1936) und „Fest der Völker“ (1938) wie so oft in ihrer angebräunten Karriere als „Pionierin“.

Um „Olympia so nah, so dramatisch aufnehmen zu können, wie Sport nie zuvor festgehalten wurde“, scheute sie keinen Aufwand - schließlich hatte der Propagandaminister 1,8 Millionen Mark zur Verfügung gestellt. Die Eröffnungsfeier ließ Riefenstahl von 60 Kameraleuten aufnehmen, das Ganze auf drei verschiedenen Filmmaterialien: Kodak für Porträts, Agfafür die Architektur, Perutz für die Spielflächen. Die AtlethInnen nahm sie gegen den Himmel aus Gruben heraus auf, um „störende“ Hintergründe zu vermeiden. Dafür wurden die Kameras mit Lärmschutzhauben versehen, um die Sportler nicht zu irritieren. Für den Hundertmeterlauf entwickelte sie eine Katapult-Kamera, sie wurde allerdings von den Schiedsrichtern verboten. Für Vogelperspektiv -Aufnahmen benutzte sie Ballons, die „Military„-Reiter bekamen eine Kamera an den Sattel, die Marathonläufer eine Mini-Kamera umgebunden.

Szenen, die Riefenstahl nach den Spielen nicht auf Film hatte, ließ sie mit den Original-Sportlern nachstellen. Zum Beispiel den Stabhochsprung und den 1.500 Meter-Lauf des Zehnkampfs, die erst im Dunkeln zu Ende gingen. Zum Total -Fake wurde die Entzündung des Olympischen Feuers. Die Originalaufnahmen aus Griechenland waren der Riefenstahl zu schlecht, die Weltpresse störte, und der erste Läufer sah nicht „griechisch“ genug aus. So ließ sie alles nach den Sommerspielen an der Kurischen Nehrung in Ostpreußen nachfilmen. Mit nackten Tempeltänzerinnen, einem nachgebauten Tempel und einem Exilgriechen russischer Herkunft als Fackelläufer. Riefenstahl: „Das schräg einfallende Sonnenlicht, das es in südlichen Ländern nicht gibt, schuf eine Atmosphäre, die idealer nicht hätte sein können.“ Ein durch und durch arisierter Olympia-Hain.

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Quelle: Leni Riefenstahl, Memoiren, Ullstein-Taschenbuch.