Zahnverlust

Zum Rücktritt der AL-Fraktionsvorsitzenden Heidi Bischoff-Pflanz  ■ K O M M E N T A R

Der Schlag hat gesessen. Die Frage ist aber, ob der Rücktritt von Heidi Bischoff-Pflanz die erhoffte Wirkung erzielt - und ob er die Richtigen getroffen hat. Die eigene Partei, nach den Worten ihren Ex-Fraktionsvorsitzenden „profil- und zahnlos“ geworden, reagierte perplex und geschockt - nur wie lange? Aus der SPD ist eine Ode des Bedauerns zu hören, der „menschliche angenehme Umgang“ mit dem Koalitionspartner AL wird gelobt. Ob die Sozialdemokraten tiefere Lehren aus dem Rücktritt der AL -Politikerin ziehen werden, darf angesichts ihrer hinreichend demonstrierten Lernunfähigkeit im Kita-Konflikt bezweifelt werden. Und die „angenehme Atmosphäre“ kann nur der richtig genießen, der nicht laufend über den Koalitionstisch gezogen wird. Allerdings hat sich die AL die Zähne nicht nur an der SPD ausgebissen. Mit schöner Regelmäßigkeit haben sich die Alternativen auf ihren Vollversammlungen selbst in die Fresse gehauen. Erst werden die Fraktionäre mit Maximalforderungen, sei es nun in Sachen Stromtrasse oder Kita-Streik, in den Ring geschickt. Während die Senatorinnen und Abgeordneten ein Veilchen nach dem anderen einstecken, buht die Basis und ruft gleichzeitig „weitermachen“. Da muß sich über Zahnverlust keiner wundern. Eines haben die Wochenendaktivisten auf den Vollversammlungen nicht begriffen: das radikale Profil der AL zu bewahren, kann nicht Aufgabe der Fraktion und der Senatorinnen sein. Dafür bräuchte es eine starke Parteibasis, die sich - gerade jetzt - in gesellschaftliche Auseinandersetzungen einmischt. Der heilsame Schock über den Verlust einer Symbolfigur der Partei mag einige Diskussionen in dieser Richtung auslösen. In ein paar Wochen wird er verpufft sein. Und so steht zu befürchten, daß der Rücktritt weder bei der SPD noch bei der AL-Basis Denkprozesse in Gang setzt. Die Gelackmeierten sind die, die es am wenigsten verdienen: die Mitglieder der Fraktion.

Andrea Böhm / CC Malzahn