Einer von uns

Wer von St. Pauli zum HSV wechselt, wird nur unglücklich  ■  P R E S S - S C H L A G

Vierundzwanzig Jahre jung, gelernter Chemiefacharbeiter und nach Meinung seines Mannschaftskollegen Jens Duve ein „echtes Glückskind“: Dirk Zander vom FC St. Pauli. Tagelang bewegten die Verhandlungen um eine Vertragsverlängerung des linken Verteidigers die Gemüter der Fußballgemeinde Hamburgs.

Denn: Zander hatte mit nichts Schwerwiegenderem gedroht, als im Falle eines Scheiterns der Pokerrunde zur Ortskonkurrenz gehen zu wollen. „Ich fühl mich echt wohl auf St. Pauli“, erzählt der robuste Spieler, „aber ich fand einfach, daß der Verein nicht mit seinen Spielern so umspringen darf.“

Georg Volkert, als Manager maßgeblich an den Tarifverhandlungen beteiligt, hatte Volkes Stimmung auf seiner Seite: Er wußte wohl, daß bislang noch jeder Spieler, der vom FC St. Pauli zum HSV überwechselte, über kurz oder lang dem sportlichen Siechtum anheimfiel. Fred Klaus beispielsweise, heute bei Hertha BSC, war am Millerntor beliebt, respektiert, eben: Einer von uns.

Doch beim HSV fiel er rasch in Ungnade, sein damaliger Trainer Willi Reimann fand keinen Gefallen an dem Mann, der gelegentlich sogar Tore zu schießen in der Lage war. Hier gibt es zwar mehr Geld - Thomas von Heesen bekommt 500.000, Sascha Jusufi immerhin 380.000 und Tormann Richard Golz immerhin noch 120.000 Mark -, doch die Stimmung dort ist sportlichen Leistungen alles andere als förderlich.

Zander: „Ja, das finde ich toll, die gemeinsamen Kreta -Urlaube, die gute Stimmung, die tollen Zuschauer. Und beim FC St. Pauli kann ich auch weiter mit Golle (Andre Golke, d.Red.) zum Training fahren.“ Aber, wie gesagt, Zander, den der Verein 1986 vom Verbandsligisten Viktoria Wilhelmsburg -Veddel holte, wollte mehr Geld. „Meine Leistungen rechtfertigen das. Außerdem mußte ich an meine Zukunft denken.“

Zahlen wurden nicht genannt, doch man munkelt, Volkert habe 120.000 Mark geboten, Zander 250.000 Mark gewollt. Das Ende vom Lied: Zander bekam den Kontrakt zu geschätzten 200.000 Mark pro Jahr, hat sich vor schwerer Rufschädigung bewahrt und fährt weiterhin mit Golle zum Training. Wie lange die anderen Spieler seines Vereins die Finanzpolitik des Vereins (Präsident Heinz Weisener: „Wir müssen sparen, wir sind ein kleiner Verein“) noch mitmachen, bleibt offen.

Zum Lokalderby gegen den HSV zeigte der 1,79 Meter kleine Zander dann, wie dankbar er über die Gehaltsaufbesserung ist: Anders als Golle, der nach der Verlängerung seines Engagements nur noch selten am richtigen Platz steht, rackerte Zander gelöst, bekam wegen all dieser Mühen sogar eine gelbe Karte für seinen fabelhaften Einsatz an der linken Außenlinie.

Er lächelte, als in der Ostkurve deswegen applaudiert wurde. Zander ist eben einer von uns.

Jan Feddersen