„Einschließen wie bei der Papstwahl“

Der Bochumer IG Metall-Ortsbevollmächtigte Ludger Hinse über den innergewerkschaftlichen Konflikt bei Opel  ■ I N T E R V I E W

taz: Herr Hinse, Sie wollen 80 IGM-Mitglieder ausschließen. Warum?

Ludger Hinse: Dummes Zeug. Ich will niemanden ausschließen.

Sie haben einen entsprechenden Antrag von Opel -Betriebsräten unterstützt.

Auch falsch. Zwei Mitglieder der IG Metall haben einen Antrag nach Paragraph 11 unserer Satzung gegen andere IGM -Mitglieder auf Einleitung eines Untersuchungsverfahrens wegen gewerkschaftsschädigen Verhaltens gestellt.

Ziel des Verfahrens ist der Ausschluß.

Das ist noch nicht beantragt. Der Ausschluß ist nur eine von fünf Möglichkeiten, um den Verstoß zu ahnden.

Wieso haben Sie die Anträge unterstützt?

Nicht ich persönlich, sondern die Ortsverwaltung der IG Metall hat wegen der schwerwiegenden Satzungsverstöße einstimmig die Einleitung des Verfahrens unterstützt und gleichzeitig das Ruhen der Rechte und Pflichten verfügt. Die Kandidatur auf einer anderen als der IGM-Liste ist ein schwerwiegender Verstoß. Das ist so ähnlich, als ob ein Mitglied der Grünen bei der CDU kandidiert.

Der jetzige Betriebsratsvorsitzende von Opel Rüsselsheim, Richard Heller, hat 1972 auf einer Oppositionsliste gegen die damalige Betriebsratsmehrheit kandidiert. Diese Liste wurde damals von der IG Metall toleriert. Wieso gehen Sie mit den Bochumer Oppositionellen ganz anders um?

Schon wieder falsch. Die Kollegen in Rüsselsheim haben übereinstimmend erklärt, daß sie zwei Listen der IG Metall aufstellen wollten. Diese Listen waren in Übereinstimmung mit der Ortsverwaltung, dem IGM-Vorstand und allen IG Metall -Vertrauensleuten gegen die gegnerischen Listen, z. B. den CMV, gerichtet. In Bochum gehen dagegen IG Metall-Mitglieder gegen andere IG Metall-Mitglieder vor. Und das, obwohl sie aufgefordert wurden, auf der IGM-Liste zu kandidieren.

Die Rüsselsheimer Liste diente dem Zweck, die alten IGM -Betriebsratsfürsten abzulösen.

Auch durch Wiederholung wird Ihre Behauptung nicht richtig.

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, daß allein das Werben um Stimmen auf unterschiedlichen Listen kein Grund sein kann, Gewerkschaftsmitglieder auszuschließen. Ein Ausschluß der Bochumer wäre juristisch unhaltbar.

Ich bewundere immer, wenn linke Journalisten sich auf bürgerliche Gerichte berufen. Entscheidungen der IG Metall trifft die IG Metall. Hier geht es zunächst einmal um ein Untersuchungsverfahren, über dessen Ergebnis man heute noch nichts sagen kann.

In dem Konflikt geht es um unterschiedliche Strategien. Die Oppositionellen waren es doch, die gewerkschaftliche Beschlüsse wie bei der Nachtarbeit hochhielten.

Der Konflikt ist nicht in erster Linie eine politische Frage, sondern hier spielen sehr viele menschliche Verletztheiten eine Rolle. Das ist eher ein Fall für die Therapeuten. Die Entscheidung über die Einführung der Nachtschicht hat der Betriebsrat mit der IG Metall -Ortsverwaltung - unter Beteiligung der Bezirksleitung und des Vorstandes in Frankfurt - gemeinsam getroffen.

Die Ausweitung der Nachtschicht hat der IGM-Bundesvorstand mitbeschlossen?

Er hat die Entscheidung des Betriebsrates akzeptiert. Wir hatten ja auch vorher bei Opel Nachtschicht...

Es geht um die Ausweitung, die gegen die Beschlußlage der IG Metall verstößt.

Natürlich sind wir nicht für Nachtarbeit. Wenn es nach mir ginge, gäbe es nur eine Arbeitszeit von 8-16 Uhr. Aber dann müßten noch drei weitere Opel-Werke gebaut werden. Bei einem Nein zur Nachtschicht hätte es in Bochum nicht 680 neue Arbeitsplätze gegeben, und langfristig hätte es sogar zu einer Gefährdung des Bochumer Standortes kommen können. Auf der betrieblichen Ebene sind die Probleme der unmenschlichen Arbeitszeiten nicht zu lösen.

Die Oppositionellen sagen, die Politik der Betriebsratsmehrheit sei im Betrieb so verrufen, daß sie mit der nicht mehr auf einer Liste hätten gemeinsam kandidieren können.

Aber sie können gemeinsam in der Vertreterversammlung, in der Ortsverwaltung - also im örtlichen IGM-Vorstand - und in der Organisation auftreten. Nur nicht auf der Liste zur Betriebsratswahl. Das ist doch absoluter Schwachsinn. Das ist doch hochgradig neurotisch.

Die IG Metall hat auf ihren Zukunftskongressen von der „neuen Offenheit“ gesprochen und einer neuen Streitkultur das Wort geredet. Das administrative Vorgehen bei Opel läuft diesen Proklamationen doch direkt zuwider.

Die IG Metall Bochum steht für den neuen Weg, doch bestimmte Grundsätze müssen bei Strafe der Auflösung der Organisation eingehalten werden. Das beste wäre aber wohl, man würde bei Opel ähnlich wie bei der Papstwahl verfahren. Den gesamten Betriebsrat, alle 39 Mitglieder, müßte man einschließen, ohne Wasser und Brot. Bis die weiße Fahne, bis das Rauchzeichen kommt. Anders kriegt man das da nicht geregelt, denn tatsächlich sind die Verhältnisse im Betriebsrat bei Opel in Bochum der helle Wahnsinn.

Was machen Sie, wenn die Oppositionellen die Wahl gewinnen?

Dann hat die Belegschaft so entschieden. Für das Untersuchungsverfahren spielt das keine Rolle.

Interview: Walter Jakobs