Medellin-Boß bestreitet Politikermord

Kolumbien: Pablo Escobar will am Tod des Präsidentschaftskandidaten Jaramillo unschuldig sein / UP-Präsident verdächtigt Drogenmafioso Castano / Kolumbiens Bevölkerung glaubt an Escobars Unschuld  ■  Aus Bogota Ciro Krauthausen

Der kolumbianische Chef des Drogenkartells von Medellin, Pablo Escobar, hat energisch bestritten, an der Ermordung des Präsidentschaftskandidaten der Patriotischen Union (UP) beteiligt gewesen zu sein. Bernardo Jaramillo war am Donnerstag in Bogota erschossen worden. Der sechzehnjährige Killer, der unmittelbar nach dem Anschlag gefaßt worden war, hatte den Drogenboß als Auftraggeber genannt. „Warum sollte ich gegen einen Mann, den ich immer bewundert habe, ein Attentat verüben“, fragte Escobar in einem Brief an den Präsidenten der linken Partei Union Patriotica Diego Montana Cuellar. Obwohl der Chef der Geheimpolizei, Miguel Marza Marquez, den Brief als ein „Manöver zur Desinformation“ abstempelte, hält die Mehrheit der Kolumbianer Escobar in diesem Fall für unschuldig.

UP-Präsident Montana Cuellar vermutete am Wochenende, daß der Drogenmafioso Fidel Castano für den Mord verantwortlich sein könnte. Castano ließ in der Vergangenheit bereits mehrere Massaker an Bauern und UP-AnhängerInnen verüben. Nach Ansicht Montanas hat dieser zum nationalen Führer der Todeschwadronen aufgestiegene Rambo der Medelliner Drogenmafia seinen Gehorsam aufgekündigt und sich selbständig gemacht. „Im Unterschied zu Escobar“, so der Parteipräsident, „spaziert Castano durch die Militärgarnisonen im Nordwesten, von wo jene Kommandos ausschwärmen, die die Attentate gegen die UP verüben.“ Andere Mitglieder der UP gehen in ihren Anschuldigungen noch weiter, in dem sie den Mord direkt der Armee anlasten.

Indes weigert sich Innenminister Carlos Lemos Simmonds weiterhin, zurückzutreten. Die UP und auch die Sozialkonservativen, die die größte Oppositionspartei Kolumbiens stellen, fordern den Rücktritt Lemos‘ als politische Konsequenz für seinen politischen Fauxpas, den er zwei Tage vor der Ermordung Jaramillos begangen hatte. Die UP, so hatte der Minister behauptet, sei der politische Arm der Guerillabewegung FARC. Die UP wertete das als indirekte Anstiftung zu der Ermordung Jaramillos. Der liberale Regierungspräsident Virgilio Barco hat sich bislang lediglich von der Äußerung seines Ministers distanziert.

Rückendeckung erhielt die UP von den Sozialkonservativen auch bei der Gründung eines „Nationalen Oppositionskommittes“. Das Komitee fordert die Verschiebung der Präsidentschaftswahlen, die für den 27. Mai angesetzt sind. Bernardo Jaramillo, das 1044ste UP-Mitglied, das rechtsextremen Todesschwadronen zum Opfer fiel, wurde gestern beerdigt.