: Aktien ohne Börse, Hauptversammlung ohne Aktionäre
Drewbud, die erste Holding Polens, will das Land massenhaft mit Fertighäusern überziehen / Die Mittel: Riesenwerbung und denkwürdige Aktien- und Kreditvergabe Was ist eine „Kreditpromesse“? / Konkurs nicht ausgeschlossen: Ist Drewbud mit Holzhäusern auf dem Holzweg? / „Drewbud-Bank“: Staatliche Bank wird privatisiert ■ Aus Warschau Klaus Bachmann
„Solch eine Gelegenheit gab's noch nie“, strahlt es Polens Zeitungslesern aus fast allen Zeitungen entgegen. Im Fernsehen verkünden strahlende junge Frauen, daß ihre Wohnungsprobleme jetzt gelöst sind während im Hintergrund in Windeseile ein Fertighaus entsteht. Kaum eine Firma in Polen macht zur Zeit einen solchen Werberummel wie „Drewbud“, Polens größter Fertighausbauer und zugleich - Polens erste Holding.
Eine Milliarde Zloty hat „Drewbud“ allein für Werbezwecke ausgegeben, was umgerechnet (100.000 US-Dollar) zwar nicht viel erscheint, aber in Polen - wo eine Fernsehminute gerade umgerechnet 250 US-Dollar kostet, ein mittleres Vermögen darstellt. Der Hintergrund: Drewbud verspricht allen, die eine sogenannte „Kreditpromesse“ für zehn Millionen Zloty erstehen, daß sie bis spätestens 1998 ein komplettes Fertighaus ihr eigen nennen können und - daß sie von der hauseigenen „Drewbud-Bank“ zur Abzahlung einen nur mit sechs Prozent verzinsten Kredit über die Höhe des Kaufpreises erhalten. Alles deutet darauf hin, daß die Nachfrage immens sein wird.
Im letzten Jahr, als die „Drewbud-Bank AG“ für insgesamt 30 Milliarden Zloty Aktien ausgab, war die Nachfrage so groß, daß der Dollarschwarzkurs für einige Tage aus den Fugen geriet: Die Leute hoben massenhaft ihre Devisen vom Konto ab, wechselten sie in Zloty, um diese in Drewbud-Aktien anzulegen. Bald wurden die Aktien unter der Hand für ein Vielfaches ihres Nominalwertes gehandelt. Grund: Neben dem Miteigentum am Aktienemittenten und eventueller Rendite erwarben die Käufer auch eine Art Vorkaufsrecht: Bis 1994 würde „Drewbud“ ihnen je ein Fertighaus liefern. Angesichts der Tatsache, daß die Aktienrenditen in Polen zumeist weit hinter der Inflation herzuhinken pflegen, eine gerngeübte Praktik. Infolge dieser Aktion ist aus der einst vom Staat kontrollierten Bank praktisch eine Privatbank geworden, deren Grundkapital so von 100 Millionen auf 3100 Millionen Zloty stieg.
Zusammen mit der „Drewbud Corporation“, einer GmbH mit circa 50 Milliarden Zloty Grundkapital, beherrscht die Bank damit den polnischen Eigenheimmarkt - im Verbund mit insgesamt 14 Produktionsfirmen, an denen wiederum westdeutsche und skandinavische Firmen in Form von Joint -ventures beteiligt sind. Um sich die Zulieferer zu sichern, hält die „Drewbud GmbH“ an allen diesen Zulieferfirmen mindestens 51 Prozent der Anteile. Steigt ein Ausländer dort ein, wird das „Drewbud„-Kapital entsprechend erhöht. So auch im Fall der „Knauf Westdeutschen Gipswerke“ aus Würzburg, mit denen die Drewbud-Tochter „Drewbud Nida“ ein Joint -venture in Höhe von 20 Millionen DM eingehen wird. Ein andere deutsche Firma wird zusammen mit Drewbud 200 Holzhäuser in Westdeutschland verkaufen.
Das Interesse besonders bei Auslandspolen sei enorm, bemerkt Drewbud-Präsident Bykowski. Mit der Drewbud-Aktion können diese nämlich die Vorschrift umgehen, nach der Ausländer zum Erwerb von Immobilien die Genehmigung des Innenministeriums benötigen. Formal erstehen sie von Drewbud nämlich keine Häuser, sondern nur Fertigteile, die sie entweder selbst zusammenbauen können, oder von einer Drewbud -Mannschaft gegen Zuzahlung erstellen lassen. Weder der Erwerb von Einzelteilen noch deren Zusammenbau unterliegen jedoch der Genehmigungspflicht.
Das ist nicht der einzige Punkt, an dem Drewbud im rechtsfreien Raum operiert. Die Kreditpromessen, die zur Zeit gehandelt werden, kommen weder im polnischen Aktien oder Wertpapier-, noch im Zivilrecht vor, sie sind weder Obligationen noch Schuldscheine. Um die mit der Ausgabe verbundenen Verwaltungskosten durch zusätzliche Einnahmen zu decken, hat sich Drewbud eine zusätzliche Einnahmequelle gesichert. Die Promessen dürfen nur über Drewbud an Dritte weiterverkauft werden, als wären sie vinkulierte Namensaktien (was sie inhaltlich freilich nicht sind). Auch die Aktienausgabe im November verlief nicht ohne Zweideutigkeiten, wie sollte es auch anders gehen? Die gesamte Tätigkeit der GmbHs und Aktiengesellschaften in Polen stützt sich zur Zeit noch auf den Handelskodex der Zwischenkriegszeit. Einzelne Teile davon, die vor allem den Börsenbetrieb betreffen, wurden allerdings nach dem Krieg außer Kraft gesetzt. Folge: Aktien, wie im Fall Drewbud, gibt es, aber keine Börse. Um die erste Hauptversammlung der Aktionäre einzuberufen, hätte Drewbud ein Fußballstadion anmieten müssen, 15.000 Kleinaktionäre wären einzuladen gewesen. Denn ein Depotstimmrecht gibt es in Polen nicht, die Banken haben ganz andere Sorgen. Also übersah die Drewbud-Bank elegant die entsprechenden Vorschriften des Handelsgesetzes und loste: auf fünf Aktionäre wurden zwei Repräsentanten gelost. Kein Wunder, daß da manche die Nase rümpfen: Eine Börsenzugangskontrolle gibt es nicht, weil es keine Börse gibt. In seinem Aktionärsblatt 'Biznes‘ hat Drewbud bisher keine Bilanz veröffentlicht.
Letztlich sind seine Aktionäre und die Käufer der „Kreditpromessen“ auf ihre Nase angewiesen, müssen der Firma einfach vertrauen. Daß Drewbud nicht Konkurs geht, kann in der derzeitigen wirtschaftlichen Lage allerdings niemand garantieren. Präses Bykowski: „Unser Konzept sieht so aus: Bis 1994 arbeiten die Erlöse aus den Kreditpromessen für uns, die Käufer erhalten keine Zinsen. Dafür garantieren wird unabhängig von der Inflation ab 1994 für die Kunden ein Zinsniveau von sechs Prozent, für Bauern sogar von vier Prozent. Bis dahin erfüllen wir mit dem vorhandenen Vermögen unsere Verpflichtungen gegenüber unseren Aktionären aus der November-Aktion.“ Eine Rechnung mit zwei Unbekannten: Liegt das Zinsniveau nach 1994 über sechs Prozent, zahlt Drewbud drauf. Und geht die Kaufkraft bis dahin so stark zurück, daß die Mehrzahl der Kunden die Kreditraten nicht mehr abzahlen kann, so steht Drewbud mit einer Masse unverkäuflicher Holzhäuser da. Export ist da kaum eine Lösung, der Markt für Drewbud ist im Westen viel enger als in Polen, wo die Zahl der Wohnungssuchenden auf eine Million Menschen geschätzt wird.
Bykowski schätzt denn auch, daß die Zahl der Promessenkäufer doppelt so hoch sein wird wie die der Aktionäre vom November. Eine englische Firma habe bereits 30 Promessen erstanden. Der Dollarkurs ist dieses Mal allerdings nicht aus den Fugen geraten.
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