Sowjettruppen besetzen Parteigebäude

■ Prosowjetische litauische Kommunisten erheben Anspruch auf Parteihäuser / Landsbergis konferiert mit sowjetischen Militärs / Scharfe Töne des Generals Warennikow in der 'Sowjetskaja Rossija‘ / Einsatz von Militär gegen litauische Unabhängigkeit unwahrscheinlich

Vilnius (afp/taz) - In Vilnius haben fünfzehn Tage nach der Unabhängigkeitserklärung Litauens erste Gespräche mit sowjetischen Militärs begonnen. Vizeministerpräsident Ozolas sagte nach dem mehrstündigen Gespräch am Montag morgen: „Das sind noch keine richtigen Verhandlungen, aber ein Anfang.“

Präsident Landsbergis war bereits am Vorabend mit sowjetischen Offizieren und dem stellvertretenden Leiter des KGB in Litauen zusammengetroffen und verabredete sich für Montag mit dem in Litauen kommandierenden sowjetischen General Warennikow. Hintergrund dieser Gespräche ist die Besetzung mehrerer Gebäude der unabhängigen kommunistischen Partei Litauens durch sowjetische Truppen, die damit die Besitzansprüche der moskautreuen abgespaltenen kommunistischen Gruppe durchsetzen wollten. Bei der Aktion gab es keine Festnahmen oder Verletzungen. Litauens Parlament beauftragte den Staatsanwalt und das Innenministerium, strenge Maßnahmen zu ergreifen, um künftig „kriminelle Aktionen“ zu verhindern. Die Verhandlungen der litauischen Politiker und der sowjetischen Militärs hatten zum Ergebnis, daß eine Kommission eingesetzt wird, die die Eigentumsrechte an den Parteigebäuden klären soll. Präsident Landsbergis gab sich wie immer gemäßigt: „Wir müssen Unfälle und Konfrontationen zwischen Militärs und Zivilisten vermeiden“.

Der litauische Präsident hielt es in einem Gespräch mit Journalisten für unmöglich, daß die Sowjetunion mit Waffengewalt vorgehen werde, solange Gorbatschow am Ruder sei. Die Besetzungsaktionen seien nicht im Auftrag der sowjetischen Regierung erfolgt, sondern das Werk der prosowjetischen Splittergruppe in Litauen.

In der 'Sowjetskaja Rossija‘ hat der in Litauen kommandierende General Warennikow wieder scharfes Geschütz aufgefahren. Die Volksfront Sajudis wolle eine Diktatur errichten. Die Werktätigen verlangten dringlich nach Ordnung. Sajudis könne nur auf geringe Unterstützung seitens der litauischen Bevölkerung hoffen. Die Armee, versicherte Warennikow treuherzig, wolle auf alle Fälle Zusammenstöße verhindern.