„Da steckt der Glaube in mir drin“

■ Für die Muslime beginnt heute der Fastenmonat Ramadan / Interview mit Cilan (23), Studentin aus der Türkei, und Cenem (27), Erzieherin aus dem Iran

taz: Wie läuft bei euch zu Hause ein Tag während des Ramadan ab?

Cenem: Nach Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang darf man weder essen noch trinken - absolut gar nichts. Nach Sonnenuntergang darf man dann wieder essen und trinken. Frauen setzen während ihrer Regel das Fasten aus...

Warum?

Cilan: Ich kenne mehrere Begründungen. Einerseits dieses typische Argument, Frauen seien während der Regel unrein, andererseits werden gesundheitliche Gründe angeführt, wonach das Fasten während der Menstruation eben nicht gut ist. Vom Fasten ausgenommen sind auch diejenigen, denen es der Arzt verboten hat.

Was ändert sich am Tagesablauf?

Cenem: Bei uns fastet eigentlich nur mein Vater. Er sagt, er fastet für uns mit. Nach seiner Auffassung wird Gott schon akzeptieren, daß wir Kinder wichtigere Sachen zu tun haben. Am meisten ändert sich während des Ramadan für meine Mutter. Für sie wird die Belastung größer, weil sie abends noch mal für meinen Vater kochen muß.

Cilan: Bei uns ändert sich einiges. Gekocht wird tagsüber, während man fastet. Wenn man dann endlich essen darf, sollten die Mahlzeiten schon fertig sein. Währenddessen hat man natürlich die totalen Haluzinationen, was man alles essen wird. Nachher kriegt man aber gar nichts mehr runter. Klar, das Leben wird dann schon lockerer. Tagsüber ist die Stimmung zu Hause eher still und tot.

Wie hält man diesen Rhythmus durch, wenn gleichzeitig der normale Großstadtalltag läuft?

Cilan: Das ist schon schwierig. In der Türkei und in anderen islamischen Ländern stellt sich ja das gesamte gesellschaftliche Leben darauf ein. Zum Beispiel die Bäckereien, die abends noch Brot ausliefern. Hier ist das anders. Die Schule läuft weiter, die Leute müssen zur Arbeit, während in moslemischen Ländern der Ramadan auf die Ferienzeit fällt. Ich habe hier in Berlin während des Ramadan mein Abitur gemacht. Das ist sehr, sehr anstrengend. Man nimmt nichts zu sich, leidet an Konzentrationsschwierigkeiten und kann manchmal vor Müdigkeit nicht auf den Beinen stehen. Meine Mitschüler haben manchmal schon komisch reagiert und gefragt, „was soll der Quatsch?“ Ich habe ihnen aber immer wieder klarmachen können, daß ich durch das Fasten meinen Willen gestärkt habe.

Wie wichtig ist dir der Ramadan als Teil der Religion?

Cilan: Äußerlich sieht man mir das sicher nicht an - ich trage zum Beispiel kein Kopftuch. Irgendwie steckt aber doch der Glaube an Gott in mir drin. Immer dann, wenn ich den Ramadan nicht befolgt habe, hatte ich auch Schuldgefühle, etwas Verbotenes getan zu haben...

Hattest du Ärger mit deiner Familie, wenn du denn Ramadan nicht eingehalten hast?

Cilan: Nein. Meine Eltern sind zwar sehr gläubig, überlassen es ihren Kindern aber selbst, wie sie es mit der Religion halten. Mein Vater hat zum Beispiel nie Druck auf uns ausgeübt, in die Moschee oder zum Koranunterricht zu gehen. Wir wohnten damals in Berlin-Spandau in einer Gegend, in der sehr viele Muslime leben. Mich hat das einfach gereizt, daran teilzunehmen. Eine Zeitlang habe ich Wert darauf gelegt, ein Kopftuch zu tragen, obwohl bei uns absolut kein Zwang war.

Habt ihr den Eindruck, daß die Einhaltung des Ramadan und die Bedeutung des Islam überhaupt in eurem Verwandten- und Freundeskreis zunimmt?

Cenem: Das wird durchaus populärer, auch durch die islamische Bewegung in der Türkei. Für meinen Freundeskreis kann ich das allerdings nicht sagen, da sind keine gläubigen Muslims dabei.

Cilan: Es nimmt auf jeden Fall zu - das sehe ich schon an meinem Verwandtenkreis. Der Ramadan und andere religiöse Gebote werden da sehr ernsthaft befolgt. Das steht dann oft im Widerspruch zu ihrem Äußeren - die Frauen tragen zum Beispiel keine Kopftücher -, sozusagen integrierte Moslems.

Gespräch: Andrea Böhm