Polizisten lachten nach der Todessalve

Südafrikanische Sicherheitskräfte schossen im Township Sebokeng ohne Vorwarnung in eine Demonstration / Mindestens acht Tote und über 350 Verletzte / ANC will bei der Regierung protestieren / Demonstration gegen schlechte Lebensbedingungen nicht genehmigt  ■  Aus Johannesburg Hans Brandt

Die Führung des ANC will bei der südafrikanischen Regierung gegen das brutale Vorgehen der Polizei in dem schwarzen Township Sebokeng protestieren. Mindestens acht Menschen waren am Montag ums Leben gekommen und 350 verletzt worden, als die Polzei in Sebokeng, 50 Kilometer südlich von Johannesburg, am Montag mit Schrotgewehren das Feuer auf 50.000 gegen schlechte Lebensbedingungen protestierende Menschen eröffnete. Ein ebenso großer Marsch in Kwa Thema, 50 Kilometer östlich von Johannesburg, verlief gestern hingegen friedlich.

„Eine Salve Schüsse krachte, dann herrschte Stille“, erzählt der südafrikanische Fotograf Herbert Mabuza, der kurz zuvor in Sebokeng angekommen war. „Die Polizisten fingen an zu lachen. Die Menge schien eine Sekunde wie erstarrt. Dann begannen die Leute zu schreien, kehrten um und rannten davon, kämpften miteinander und sprangen übereinander, um der Polizei zu entkommen.“ Weder Mabuza noch eine Reihe von Zeugen hatten eine Warnung der Polizei, das Feuer zu eröffnen, gehört. Ein Polizeisprecher meinte, die Polizei habe aus Selbstverteidigungsgründen geschossen, nachdem die Menge mehrmals gewarnt worden sei. Einem Sprecher des Krankenhauses in Sebokeng zufolge wurden 130 Menschen von Schrotkugeln und 170 im Chaos der flüchtenden Menschen verletzt. „Bei den meisten Märschen sind die Leute sich der Notwendigkeit von Disziplin und Ordnung bewußt“, sagte Murphy Morobe, stellvertretender Pressesprecher der Vereinigten Demokratischen Front (UDF). „Es gibt nie einen Grund für die gewalttätigen Eingriffe der Polizei.“

Daß der Marsch in Kwa Thema friedlich verlief, liegt vermutlich daran, daß die Demonstranten hier eine offizielle Genehmigung erhalten hatten. Die Demonstration in Sebokeng war von der Polizei verboten worden. Obwohl Präsident Frederik de Klerk seit einigen Monaten betont, friedliche Proteste seien erlaubt, werden in vielen Fällen Märsche verboten oder erhebliche Auflagen gemacht. Gründe für Verbote oder Genehmigungen sind oft unklar. Der Marsch in Sebokeng sollte ursprünglich in der angrenzenden weißen Stadt Vereeniging enden. Vielleicht wurde er deshalb verboten - der Schutz von Geschäften ist oft wichtiger als das Recht auf freie Meinungsäußerung. In Kwa Thema endete der Marsch anderersetis am Rande des Wohngebietes. Im angrenzenden weißen Ort Springs wußten wohl nur die wenigsten, daß demonstriert wurde. In der Grubenstadt Welkom, 200 Kilometer südwestlich von Johannesburg, ist es letzte Woche zu Auseinandersetzungen zwischen bewaffneten ultrarechten Weißen und schwarzen Demonstranten gekommen. Mitglieder der neonazistischen Burischen Widerstandsbewegung (AWB) haben sich jedoch am Montag geweigert, an einem Friedenstreffen mit Adriaan Vlok, dem Minister für Recht und Ordnung, teilzunehmen.

Die Welle der Proteste im ganzen Land wird entscheidenden Einfluß auf die ersten direkten Gespräche zwischen ANC und Regierung am 11. April haben. Dabei soll es vor allem um die Vorbereitung formeller Verhandlungen gehen. Doch es wird allgemein erwartet, daß beide eine gemeinsame Strategie entwerfen könnten, um dem Blutvergießen in den schwarzen Wohngebieten ein Ende zu machen.